Wenn wir an Nordkorea denken, dann denken die meisten wahrscheinlich zuallererst an eine totalitäre Führung und an die Verletzung von Menschenrechten. Wie es in Nordkorea tatsächlich aussieht, also welche Topographie dort herrscht, daran denken wohl die wenigsten.
Abhilfe schaffen will hier die neue Ausstellung Let’s talk about Mountains im Alpinen Museum Bern. Dafür wurde ein Zugang gewählt, der zur Kernkompetenz des Hauses passt: Berge. «Nordkorea ist nicht nur entrücktes und abgeschlossenes Land, sondern auch ein Bergland», erklärt Direktor Beat Hächler. Diese Parallele sei es denn auch gewesen, die den Ausstellungs-Stein ins Rollen gebracht habe.
Der Ansatz, Nordkorea nicht auf Defizite hin untersuchen zu wollen, sondern Parallelen herauszuarbeiten, fand auch in Pjöngjang Anklang. So reiste 2018 und 2019 ein Filmteam rund um Beat Hächler und Filmemacher Gian Suhner nach Nordkorea, um dort mit Menschen unterschiedlichster Art über ihre Beziehung zu Bergen zu sprechen. Vor Ort führte das Team Interviews mit Wandergruppen, besuchte Schulklassen, Bäuer*innen und Kunstschaffende und filmte in Ski-Resorts. Mit dabei waren stets auch nordkoreanische Begleiter, die überwachten, was das Schweizer Team da aufzeichnete. Im Grossen und Ganzen hätten sie aber aufnehmen können, was sie wollten, sagt Beat Hächler, die Begleiter hätten nur selten Einwände formuliert.
Aus den rund 40 Stunden Filmmaterial und 6000 Fotos ist nun die Ausstellung «Let’s talk about Mountains» entstanden. Natürlich gibt es darin auch diejenigen Bilder zu sehen, die wir von Nordkorea erwarten: Monumentalbauten und bombastische Wandbilder, die den Führern Kim Il-sung und Kim Jong-il huldigen. Aber eben nicht nur. Vielmehr richtet die Ausstellung den Fokus auf die Bevölkerung und lässt diese auf zahlreichen Bildschirmen in kurzen Interviews zu Wort kommen. Dabei blicken die sprechenden Männer und Frauen frontal in die Kamera, also direkt die Ausstellungsbesucher*innen an, wodurch ein persönlich-intimen Rahmen geschaffen wird.
Da ist etwa Kim Jong-won, der Wartungstechniker einer Luftseilbahn im Skigebiet Masikryong, der voller Stolz über die 2644 Meter lange Hochgeschwindigkeits-Luftseilbahn mit insgesamt 8 Liften spricht. Oder da ist der Kunstmaler Choe Chang-ho, der im Winter mehrmals durch Schneestürme den 2744 Meter hohen Paektusan erklomm, um mit eigenen Augen Eindrücke für seine Gemälde zu sammeln.
Es wäre naiv zu glauben, dass das Team des Alpinen Museums ehrliche und systemkritische Meinungen hätte einfangen können. Dafür seien die Menschen, die sie interviewt hätten, viel zu gescheit, sagt Beat Hächler. Nichtsdestotrotz zeigen die Aufnahmen und Bilder, die nun in «Let’s talk about Mountains» zu sehen sind, eine etwas andere Seite eines Landes, das ansonsten vor allem Ängste und Unverständnis hervorruft. Eine menschlichere Seite. Es solle keinesfalls darum gehen, die Lage in Nordkorea zu beschönigen, so Hächler. Es sei wichtig und richtig, dass die dort herrschenden politischen und sozialen Verhältnisse weiterhin kritisch hinterfragt würden. Es gehe einzig darum, sichtbar zu machen, dass in Nordkorea auch Menschen lebten. Menschen, die in ihrer Liebe zu Bergen den Schweizer*innen so unähnlich nicht seien.
Let’s talk about Mountains bis 3. Juli 2021 im Alpinen Museum Bern, zur Ausstellung ist ein reich bebildertes Magazin erschienen.