Heute im Info: Was passiert in der besetzten Schreinerei zwischen Fischermätteli und Europaplatz? Ein Besuch beim Projekt «Tripity». Und: Vulvas, Menstruation und beziehungsscheue Menschen – Liv Strömquist, Verfasserin von feministischen Graphic Novels zu Gast am Lesefest Aprillen.
Besuch in der besetzen Schreinerei «Tripity»
Im Januar wurde die alte Schreinerei an den Gleisen im Fischermätteli besetzt. Drei Monate lang wurde geräumt, organisiert und eingerichtet. Nun droht der Besetzung im Mai die Räumung. Wegen einem Mangel am Stromnetz, sei eine Belebung nicht möglich, so die Liegenschaftsverwaltung. Diese Begründung ist für die Bewohner*innen nicht nachvollziehbar. Weder wurde ihnen kommuniziert, wo genau der Mangel liegt, noch hätten Elektriker*innen im Auftrag des Kollektivs einen grösseren Mangel festgestellt. Die Liegenschaftsverwaltung wollte bisher gegenüber RaBe-Info keine Stellung dazu nehmen.
Der Räumungsbefehl war ein Schock für die Besetzer*innen, zuvor habe immer ein guter, kompromissbereiter Dialog stattgefunden. Auch weiterhin versucht das Tripity-Kollektiv das grosse Haus zu beleben und die Räumung zu verhindern. Fast 2000 Menschen haben bereits die Petition für das Bestehen des Projekts an der Weissensteinstrasse unterschrieben.
Der Leerstand in der Stadt Bern und gleichzeitig das grosse Bedürfnis nach Freiraum, sei die Motivation für die jungen Erwachsenen zwischen siebzehn und dreissig Jahren, die am Projekt beteiligt sind. An Ideen mangelt es dem Kollektiv offensichtlich nicht; Yogastudio, Malatelier, Nähstube, Boxdojo, Musik- und Nagelstudio, alles unter einem Dach. Auch Wohnraum soll das Gebäude bieten, die alten Büros mit Teppichboden bieten bereits jetzt Rückzugsraum für die Bewohner*innen. Über Instagram versucht das Kollektiv Kontakt mit dem Quartier aufzunehmen und über ihre Angebote zu Informieren.
Viele Menschen aus dem Quartier seien erfreut über die Belebung der alten Schreinerei und würden selber gerne die grosszügigen Räume nutzen, erzählen die Besetzer*innen bei einer Führung durch das Gebäude.
Liv Strömquist: Feministische Graphic Novels
Wenn Comic-Zeichnerin Liv Strömquist zum Stift greift, bleibt kein Auge trocken und kein Tabu-Thema verschont. In ihren Graphic Novels – also Comics, die sich aufgrund von Komplexität und Themenwahl häufig an Erwachsene richten – widmet sich die 43-jährige Schwedin beispielsweise der Geschichte der Menstruation, ergründet die Kulturgeschichte der Vulva oder hinterfragt, woran es liegen mag, dass heute Menschen vermehrt Mühe haben, verbindliche Beziehungen einzugehen.
Die feministischen Graphic Novels der Liv Strömquist sind lehrreich und scharfsinnig, manchmal bissig, immer aber auch lustig und unterhaltsam. Die Politikwissenschaftlerin kreuzt theoretische Überlegungen aus Soziologie, Philosophie und Gesellschaft und bedient sich bei den unterschiedlichsten Quellen wie etwa Biologiebüchern, der Bibel, Psychoanalyse, griechischer Mythologie oder popkulturellen Erzeugnissen.
Als Initialzündung für die zeichnerische Auseinandersetzung mit feministischen Themen sieht Liv Strömquist ihre eigene Kindheit und Jugend. Ihren weiblichen Körper habe sie damals als extrem schambehaftet wahrgenommen. «Als Teenager bin ich einmal in der Schule in Ohmacht gefallen, weil ich so starke Menstruationsbeschwerden hatte und mich nicht getraute, nach einer Schmerztablette zu fragen. Über Menstruation zu sprechen, war tabu. In meinem Buch «Der Ursprung der Welt» nehme ich historische und kulturelle Gründe für diese Scham auf Korn, die sehr vielen Frauen vertraut ist.»
Im Interview mit RaBe spricht Liv Strömquist unter anderem über ihre erste Begegnung mit Graphic Novels und die Reaktionen, welche ihre pointiert-humoristischen Aufarbeitung von Tabu-Themen auslösen (Englische Originalversion des Interviews siehe weiter unten):
Am Freitag 16. April ist Liv Strömquist um 19 Uhr beim Berner Lesefestival Aprillen zu Gast, das online stattfindet. Hier gehts zum ganzen Programm von Aprillen.
Das Original-Interview mit Liv Strömquist in Englisch:
Sorgt für rote Köpfe bei konservativen Politker*innen: Liv Strömquists Eiskunstläuferin