Seit 1981 ist die Gleichstellung der Geschlechter in der Bundesverfassung verankert. Dass alle Menschen für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten, sollte über 40 Jahre danach eigentlich selbstverständlich sein. Doch die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern ist noch immer nicht umgesetzt. 7,8 Prozent beträgt der Lohnunterschied in der Gesamtwirtschaft, der nicht beispielsweise mit Dienstjahren oder der Ausbildung erklärt werden kann, so das Bundesamt für Statistik in der Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern anhand der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2020.
Seit dem das revidierte Gleichstellungsgesetz 2020 in Kraft getreten ist, müssen Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Die Unternehmen müssen die Löhne mittels einer wissenschaftlichen Methode analysieren und von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen. Aktionär*innen und Arbeitnehmende müssen über das Resultat der Analyse informiert werden. Doch ein Fehlverhalten hat keine Konsequenzen, denn das Gleichstellungsgesetz sieht keine Sanktionen vor, falls die Analyse eine Lohndiskriminierung zu Tage bringt.
Dies soll sich endlich ändern, findet der Berner Nationalrat Lorenz Hess von der Mitte-Partei und reichte eine Motion ein mit dem Titel Schluss mit den Lippenbekenntnissen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Darin fordert er, dass fehlbare Unternehmen sanktioniert werden können. Wenn die Politik den Artikel 8 der Bundesverfassung, den Gleichstellungsartikel, ernst nehme und ihn tatsächlich umsetzen wolle, dann sollte sie von den Unternehmen nicht nur Analysen und Berichte verlangen, argumentiert er. Wie bei jeder anderen gesetzlichen Regelung brauche es auch hier Sanktionen, wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden.
Valérie Borioli Sandoz, Verantwortliche Gleichstellungspolitik beim Dachverband der Arbeitnehmenden Travail.Suisse stimmt ihn zu. Sie erklärt, dass Arbeitnehmende zwar bereits jetzt privatrechtlich gegen Lohndiskriminierungen vorgehen können. Den Kläger*innen stehe jedoch meist ein beschwerlicher und teurer Rechtsweg vor, auf welchem sie oft sogar ihre Stelle verlieren würden. Deswegen sei es nun endlich an der Zeit, das Gesetz zu vervollständigen und Unternehmen direkt zu sanktionieren.
Update: Der Antrag von Lorenz Hess wurde mit 102 zu 84 Stimmen angenommen. Die Motion geht nun in den Ständerat