Wer in der Stadt Bern wohnt, kennt es: man will einen hellblauen Abfallsack in der Quartiersammelstelle entsorgen, doch der Container quillt über. Oder man vergisst den Sammeltag und muss danach stinkende Küchenabfälle tagelang auf dem Balkon gären lassen. Damit soll bald Schluss sein. Das Abfallsystem in der Stadt Bern wird modernisiert, auch zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter:innen. Die Beladerinnen und Belader hieven pro Tag bis zu acht Tonnen Last vom Trottoir in den Kehrichtwagen. Ein Trennsystem und Abfallcontainer sollen die Entsorgung angenehmer machen. Die Rede war von einem Pioniersprojekt. Das Prinzip ist einfach: Abfall sollte in farbigen Säcken gesammelt werden: Graue Säcke für Alu, rote für PET, violette für Glas. Diese Abfallsäcke werden in einem gemeinsamen Container gesammelt und entsorgt.
Die Stadtberner Stimmbevölkerung hat dieser Idee im Herbst 2021 zugestimmt. Das neue System hätte nach Stadtteilen gestaffelt ab Mitte 2022 eingeführt werden sollen. Die Einführung lässt aber noch immer auf sich warten, denn bei der Umsetzung hapert es. Wo sollen die neuen Container hin? Das ist die Gretchenfrage bei Einführung des Farbtrennsystems. Auf privatem Boden, so die Stadt. Sie sprach sich für eine flächendeckende Containerpflicht aus. «Wir sind davon ausgegangen, dass etwa 80 Prozent der Container auf Privatgrundstücke gestellt werden kann. Dem ist aber nicht so», bedauert Christian Jordi, Leiter Entsorgung und Recycling Stadt Bern. Tatsächlich kann nur jeder zweite Container auf ein Privatgrundstück gestellt werden, alle anderen müssen irgendwo im öffentlichen Raum platziert werden. «Wir haben zu wenig Platz, um jeden zweiten Container auf das Trottoir zu stellen», so Jordi. Eine flächendeckende Containerpflicht ist also weg vom Fenster. Man wolle nun eine teilweise Containerpflicht prüfen, so die Direktorin für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün Marieke Kruit bei der Medienkonferenz. Nur bei Liegenschaften, die genug Platz haben, muss in Zukunft ein Container stehen.
Die Einführung des Farbsacktrennsystems verschiebt sich also in die Zukunft, weil es zu wenig Platz für die entsprechenden Container gibt. Hätte man dieses Problem nicht schon vor der Abstimmung kommen sehen können? Christian Jordi verneint. Ein Start der Einführung mitte diesen Jahres sei aber nicht möglich. Es müssen nun also weitere Abklärungen getroffen werden, wann, wie, und wo das Farbsacktrennsystem in der Stadt Bern eingeführt werden könnte. Gemeinderätin Marieke Kruiz drückte bei der Medienkonferenz ihr Bedauern aus. Sie übernehmedie Verantwortung für die Fehlplanung und bitte die Stimmbevölkerung um Entschuldigung. Am Farbsacktrennsystem will die Stadt Bern aber festhalten – trotz erheblicher Startschwierigkeiten.