1989 erschütterte der sogenannte «Fichenskandal» die Schweiz. Dabei wurde aufgedeckt, dass die Schweizer Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg bespitzelt worden war – insgesamt waren etwa 900’000 solcher «Staatschutz-Fichen» angelegt worden. Während der Aufschrei damals noch gross war, geben wir heute auf Facebook und Co freiwllig und sehr detailliert Auskunft über unser tägliches Leben. Unser Verhältnis zum Überwachtwerden habe sich komplett verkehrt, sagt Kulturjournalist Tobi Müller. In seinem Stück «Die Akte Bern – ein Theaterbericht von Fichen bis Facebook» ergründet er diese Verkehrung.
Der 47-jährige Schweizer Autor, der seit rund 10 Jahren in Berlin beheimatet ist, macht zwei Thesen aus, welche den gesellschaftlichen 180-Grad-Wandel verstehen helfen. Zum einen sei der einst negativ konnotierte Begriff der Vernetzung unter anderem durch das Aufkommen des Internets in eine positive Metapher umgewertet worden. Zum anderen spiele auch der neoliberalistische Zeitgeist eine wichtige Rolle. In einer leistungsorientierten Wettbewerbsgesellschaft komme es verstärkt zu Vereinzelungen, welche in sozialen Netzwerken kompensiert würden. «Der Narzissmus feiert Konjunktur» sagt Müller, wobei die sozialen Medien als Narzissmusmaschinen sondergleichen fungieren würden.
«Die Akte Bern» wird bis 5. Juni bei Konzert Theater Bern gezeigt. Zum detaillierten Spielplan gehts hier.