Das Forum Schweizer Geschichte in Schwyz zeigt vom 13. April bis am 29. September 2019 die Ausstellung «Die Schweiz anderswo», welche Geschichten und Schicksale von verschiedensten Menschen erzählt, die in den letzten drei Jahrhunderten aus der Schweiz ausgewandert sind.
Organisierte Auslandschweizer*innen
Jede*r zehnte*r Schweizer*in wohnte 2018 im Ausland – rund 760’000 Personen – Tendenz steigend. Die sogenannten Auslandschweizer*innen kämpfen mit verschiedensten Problemen, wie zum Beispiel damit, dass sie das Stimmmaterial nicht rechtzeitig erhalten (und E-Voting bis jetzt nicht 100% sicher ist) oder dass sie keine Krankenversicherung abschliessen können und im Ausland kein Bankkonto eröffnen dürfen. Für ihre Interessen setzt sich die Auslandschweizer-Organisation ein. Der Präsident der Organisation, Remo Gysin, sagt gegenüber RaBe, es sei nicht immer einfach, diese Interessen zu vertreten, weil die betroffenen Menschen sehr unterschiedliche Hintergründe und Werthaltungen haben. Im Unterschied zu anderen Ländern gibt es im Parlament keine Quote für eine angemessene Vertretung von Menschen, die nicht im Land wohnen. Dank einer rund hundertköpfigen Parlamentarier*innen-Gruppe aus allen Parteien habe die Organisation trotzdem einen guten Draht zur Politik und den Behörden.
Im Moment ist der Trend, dass Menschen nicht mehr für den Rest des Lebens auswandern, sondern eher kurzfristig, vielleicht für ein paar Jahre. Wie schon vor hundert Jahren gäbe es aber immer noch viele Menschen, die auswandern aus wirtschaftlichen Gründen, erzählt Gysin. Dabei geht es um alte Menschen, die von der AHV und einer kleinen Pension in der Schweiz kaum überleben können, im Ausland hingegen schon.
Das Gespräch mit Remo Gysin, alt-SP-Nationalrat und Präsident der Auslandschweizer-Organisation, über seinen Besuch an der Ausstellung «Die Schweiz anderswo»:
Die Ausstellung «Die Schweiz anderswo»
Die Ausstellung «Die Schweiz anderswo» zeigt Geschichten von einzelnen Menschen und Gruppen, die exemplarisch aufzeigen, wie die Schweiz auf aller Welt in unterschiedlichsten Formen präsent ist – und wie das Land punkto Migration kein Sonderfall ist. Einerseits gibt es Geschichten von Menschen, die auswanderten, weil sie in der Schweiz von Armut geplagt waren und sich erhofften, ihr Glück anderswo zu finden. Zeitweise hat der Bund sogar Menschen subventioniert, wenn sie auswandern wollten. Andererseits sind es Geschichten von blosser Abenteuerlust oder von starken Missionsgedanken. Es gibt Unternehmer, die in der «Fremde» erfolgreich Plantagen betrieben und Kolonialherren waren, die also auch mitverantwortlich an den negativen Auswirkungen des Kolonialismus waren. Es gibt Missionare oder Medizinerinnen, die gutes Tun wollten und sogar mithalfen, die Sklaverei in Westafrika abzuschaffen.
Gleichzeitig erzählt die Ausstellung die Geschichte von Menschen, die wieder zurück kehrten in die Schweiz und plötzlich fremd im eigenen Land waren, zum Beispiel die Rückkehrerfamilien aus Russland, die nach der russischen Revolution alles Hab und Gut verloren und bettelarm in die Schweiz remigrierten, wo sie nicht wirklich mit offenen Armen empfangen wurden.
Ausstellungskuratorin Pia Schubiger erzählt RaBe, wie sie die Auswahl der Geschichten getroffen hat:
Zum Beispiel Einsiedeln in Kentucky
Ein besonderes Beispiel ist Louisville, Kentucky, in den USA. Dort wohnen noch heute zahlreiche Nachfahren von Menschen, die seit dem 19. Jahrhundert aus Einsiedeln ausgewandert sind. Susann Bosshard-Kälin hat ihnen das Buch «Einsiedeln anderswo – Präsenz eines Innerschwezer Dorfes in der amerikanischen Stadt Louisville, Kentucky» gewidmet. Viele verliessen die Schweiz, weil sie arm waren, oder weil sie sich vor einem Wiederaufflammen des Krieges (Sonderbundskrieg 1847) fürchteten. Später bildete sich so eine ganze Gemeinschaft in Louisville. Erfolgreich waren sie vor allem dank der Landwirtschaft, insbesondere der Milchwirtschaft, die vom amerikanischen Staat gefördert wurde. Es gibt sogar eine Legende, dass ein Einsiedler in Kentucky den Cheeseburger erfunden haben. Heute seien die Erinnerungen an Einsiedeln nur noch bruchstückhaft vorhanden und das Bild der Schweiz oft ein bisschen verklärt, sagt Susann Bosshard-Kälin gegenüber RaBe. Für sie sei es wichtig gewesen, diese Geschichte noch festzuhalten, bevor sie ganz verloren sei:
Die Ausstellung «Die Schweiz anderswo» im Forum Schweizer Geschichte in Schwyz läuft vom 13. April bis am 29. September 2019.