Heute – im ersten Info nach der Sommerpause – steht der Klimawandel im Zentrum der Berichterstattung. Jamaika spürt wie viele andere Karibikstaaten die Auswirkungen des Klimawandels. Im zweiten Teil unserer Reportage-Serie zeigt unser Reporter Max Böhnel, was dort passiert. Zudem sprechen wir über die Bewegung «Landwirtschaft mit Zukunft», die gemeinsam mit Konsument*innen und Landwirt*innen die Landwirtschaft klimafreundlicher gestalten will.
Landwirtschaft mit Zukunft
Je nach Berechnung ist die Landwirtschaft für 20 bis 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um den Klimawandel zu bremsen und die totale Klimakatastrophe zu verhindern, müssen sowohl die Landwirt*innen als auch die Konsument*innen umdenken. Das gehe nur, wenn sie zusammenarbeiteten statt sich gegenseitig die Schuld zu zuschieben, sagt Dominic Waser von der Klimastreikbewegung. Er uns seine Mitstreter*innen haben nun eine neue Organisation gegründet, um die Landwirtschaft gemeinsam mit allen Betroffenen zu verändern: Landwirtschaft mit Zukunft.
Klimawandel in der Karibik: Zum Beispiel Jamaika
Sie gelten als paradiesisch – die Inseln der Karibik mit ihren gut 45 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Ihre Zukunft jedoch sieht düster aus. Die meist schlechte wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Ungleichheit und die wirtschaftliche Unsicherheit werden durch den Klimawandel zusätzlich massiv verschärft. Von den Monsterstürmen im November vor zwei Jahren hat sich die Region bis heute nicht erholt hat. Jetzt steht bereits die nächste Orkan-Saison vor der Tür.
Dennoch lernen die Menschen. Die Stichworte heissen Klimaresilienz und Klimaadaption. Denn sich dem Schicksal fügen, ist keine Option. Der Frage, wie sich Menschen konkret von dem doppelten Fluch – soziale Verhältnisse und Klimawandel – erlösen könnten, ist der Journalist Max Böhnel für RaBe in drei ganz unterschiedlichen Karibikländern nachgegangen: Dominica, Jamaika und Bahamas.
Im zweiten Teil der Serie berichtet Max Böhnel von Jamaika. Diese Karibik-Insel ist berühmt für ihre Reggae-Musik und die schönen Strände. Doch diese Strände sind am Verschwinden, wegen der Erhitzung der Erde. Die Menschen in Jamaika versuchen mit den neuen Bedingungen umzugehen:
Die Umweltschützerin Diana McCaulay kämpft seit vielen Jahren gegen die Zerstörung der Natur auf Jamaika. In den letzten 30 Jahren legte sie sich deshalb immer wieder mit der Regierung und mit jamaikanischen Firmen an. Sie erinnert sich an Hellshire Beach und wie sie als Kind hier spielte: «Als ich ein Kind war und wir nach Hellshire hinausfuhren, parkten wir an der damals einzigen Strasse und rollten uns die Sanddünen hinunter. Die waren so hoch!» In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurden die Kalksteinfelsen und Mangroven entfernt, weil man Bauland schaffen wollte. Die Verschmutzung des riesigen Hafens der Metropole Kingston kam dazu, sagt McCaulay. Müll und Abwässer schwemmten rüber, und das beeinflusste dann natürlich das Korallenriff. Dann kamen die Stürme dazu, und es wurde wie wild abgeholzt und gebaut. Die Überfischung war ebenfalls ein Faktor. Zum Beispiel wurden zahlreiche Pflanzenfresser, zum Beispiel Papageienfische herausgeholt, die so wichtig für intakte Riffe und intakten Sand sind. Natürlich erodierte der Strand dann. Es ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Fahrlässigkeit. Die Kaffeebäuerin Dorienne Rowan-Campbell lebt in Kingston, und dreimal pro Woche fährt sie hoch in die Blue Mountains, um auf ihrer Farm nach dem Rechten zu sehen. «Seit ich die Farm von meinem Vater übernommen habe 1992-1993, ist die Trockenzeit jedes Jahr länger geworden. Der Regen regnet sich dann schon an den Gipfeln ab und lässt für uns weiter unten an den Hängen nicht viel übrig.» Dorienne Rowan-Campbells Kaffeepflanzung befindet sich an einem steilen Hang auf 1300 Metern Höhe. Es handelt sich um eine Bio-Farm, das heisst die Kaffeebüsche sind nicht als Monokultur angelegt, sondern befinden sich inmitten von Dutzenden Arten von Gräsern, Bäumen, Sträuchen und Büschen. Das Areal ist zwei Hektar gross. Dorienne kennt entlang des steilen Pfads jede einzelne Pflanze.
Die Kaffeefarm ist die einzige in ganz Jamaika, die das Label «organic», also aus biologischem Anbau, tragen darf. Dorienne spielt damit eine Vorreiterrolle. Als sie Anfang der Neunzigerjahre die heruntergekommene Farm ihres Vaters übernahm, war das noch nicht absehbar. Orkane und Trockenzeiten hat sie besser überstanden als andere Kaffeepflanzungen in den Blue Mountains: «Studien haben gezeigt, dass natürlich behandelte Böden Überschwemmungen und Trockenheit viel besser standhalten können. Das habe ich im Vergleich zu den anderen Farmen, die herkömmlich mit Chemie wirtschaften, immer wieder gemerkt. Meine Pflanzungen wachsen besser. Ich hatte zum Beispiel auch schattenspendende Bäume gepflanzt. In den Trockenmonaten wachsen manche von ihnen einen halben Meter. Zwischen 2004 und 2008 hatten wir mehrere schwere Orkane. Meine Kaffeesträucher verloren dabei zwar Blätter, aber sie waren nicht entwurzelt, und sie waren gesund. Gegenüber im Tal war dagegen alles braun. Ich wusste, dass ich richtig lag. Ich merkte, dass man mit dem Klima zusammenarbeiten muss. Je nach Saison kann ich zwischen einer halben und zwei Tonnen Kaffeebohnen ernten. Gut 80 Prozent des Ernte aus den Blue Mountains geht nach Japan. Da es sich um Gourmet-Kaffee für den Export handelt und die Steuern recht niedrig sind, lohnt sich die Kaffeepflanzerei bisher meist. Aber der Klimawandel bringt grosse Probleme mit sich», sagt Dorienne Rowan-Campbell. «Adaption an den Klimawandel bedeutet für mich zuallererst: die Augen offen halten, und dann vorsichtig experimentieren. Das wichtigste Werkzeig für eine Bio-Bäuerin sind die Augen. Die muss man immer offen halten. Denn deine Pflanzen teilen dir mit, was sie brauchen. Wir wissen, dass die Orkane intensiver werden. Es wird heisser, es wird windiger, es wird trockener.»
Bei der Klimaadaption gibt es also durchaus Lichtblicke wie erfolgreiche Experimente von Bio-Farmen oder auch Versuche, über Popkultur zur Aufklärung beizutragen. Voices for Climate Change ist eines davon. Trotzdem ist Skepsis angebracht. Die Buchautorin Diana McCauley meint, dass es, um die Katastrophe aufzuhalten, aus jamaikanischer und karibischer Sicht zu spät ist.
Teil 1 der Serie «Klimawandel und Karibik» über Dominica gibt es hier.
Die Recherche für die Serie von Max Böhnel wurde vom Medienfonds real 21 – Die Welt verstehen finanziert, der von der Schweizer Medienschule MAZ und von Alliance Sud getragen wird.