Warum braucht es eine Notschlafstelle für Frauen in Bern? Warum sind in der Schweiz 100’000 Kinder von Armut betroffen? Und warum können Wirtschaftssanktionen Frauenrechte stärken? Diese und ander Fragen klären wir in der heutigen Info-Sendung. den Podcast gibts hier:
Keine Notschlafstelle für Frauen* in Bern
Für obdachlose Frauen* ist es in der Stadt Bern besonders schwierig einen Ort zu finden, an dem sie Ruhe und Schutz finden. Bereits im Juni wurde der Berner Gemeinderat deshalb dazu aufgefordert, eine neue Notschlafstelle für Frauen* zu finanzieren. Eine Antwort auf die dafür eingereichte Motion lieferte der Gemeinderat allerdings erst vor wenigen Wochen. Darin liess er verlauten, dass die derzeitigen Angebote seiner Ansicht nach ausreichen und es in der Stadt Bern deshalb keine zusätzliche geschlechterspezifische Notschlafstelle braucht.
Für die Kirchliche Gassenarbeit Bern und die Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern ist dieser Entscheid nicht nachvollziehbar. Die beiden Institutionen sehen dringenden Handlungsbedarf. So stellte die Kirchliche Gassenarbeit fest, dass sie 2018 auf der Gasse fast doppelt so viele Frauen* angetroffen hat, wie im Jahr zuvor. Hinzu kommt, dass sich Frauen* in der bestehenden Obdachlosenhilfe oft nicht wohl fühlen und die Angebote deshalb deutlich seltener in Anspruch nehmen als Männer.
«Die Haltung des Gemeinderats ist angesichts dessen, das wir uns in einem Frauenstreikjahr befinden, besonders diskriminierend», betont Lea Bill von der Kirchlichen Gassenarbeit gegenüber Radio RaBe:
Kinderarmut in der Schweiz nimmt zu
Die Zahlen sind besorgniserregend. Schweizweit sind mittlerweile offenbar mehr als 100‘000 Kinder von Armut betroffen. Tendenz steigend.
Statistisch gesehen sitzt hierzulande also in jeder Schulklasse mindestens ein Kind, das von Armut betroffen ist. Die Caritas Schweiz ist alarmiert über dieses Ausmass: «Es darf nicht sein, dass Kinder wegen des ungenügenden Einkommens ihrer Eltern in ihrer Entwicklung behindert werden und für ihre Familiensituation, in der sie aufwachsen, gesellschaftlich bestraft werden», sagt Hugo Fasel, Direktor der Caritas Schweiz.
Mit ein Grund für die hohe Kinderarmut sei die Tatsache, dass der Bund die Armutsbekämpfung vollumfänglich den Kantonen überlasse und selber keine Verantwortung übernehmen wolle – so die Kritik von Caritas Schweiz. In ihrem frisch veröffentlichten Bericht fordert die Hilfsorganisation nun das Parlament dazu auf, die schweizweite Bekämpfung der Kinderarmut so rasch wie möglich in Angriff zu nehmen.
Dass es aber auch wirksame Massnahmen gegen die Kinderarmut gibt, haben vier Kantone unter Beweis gestellt. In Genf, Waadt, Tessin und Solothurn hat die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien dazu geführt, dass deutlich weniger Familien Sozialhilfe beziehen müssen.
Im Gespräch mit Radio RaBe erklärt Stefan Gribi, Mediensprecher der Caritas, wie es dazu kommen konnte, dass in einem reichen Land wie der Schweiz so viele Kinder von Armut betroffen sind:
100’000 Schweizer Kinder sind von Armut betroffen (Symbolbild Caritas)
Stärken Wirtschaftssanktionen Frauenrechte?
Ein Team von Wissenschaftler*innen der Universitäten Trier und Hamburg sowie des ifo-Instituts in München untersuchten die menschenrechtlichen Folgen von Wirtschaftssanktionen, wie etwa Waffenembargos, die Erhebung von Strafzöllen, das Einfrieren von Vermögen der politischen Elite oder der Abbruch von diplomatischen Beziehungen. «Eine weitverbreitete These lautet, dass sich Wirtschaftssanktionen zwar gegen Regierungen beziehungsweise Eliten des Landes richten, aber hauptsächlich die breite Bevölkerung und insbesondere die unterprivilegierten sozialen Gruppen die Kosten dafür tragen, da die Regierungen infolge der Sanktionen die Menschenrechte in ihrem Land weiter einschränken«, schreibt Prof. Dr. Matthias Neuenkirch von der Abteilung für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Trier in einer Medienmitteilung.
Im Gespräch mit RaBe vertritt Jerg Gutmann von der Universität Hamburg jedoch eine andere Meinung: «Unsere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass durch Wirtschaftssanktionen Frauenrechte gestärkt werden können.» Ihren Befund erklären sich die Forschenden unter anderem damit, dass Frauen bessere Chancen hätten, am Arbeitsmarkt sowie am sozialen und politischen Leben zu partizipieren, wenn die männliche Bevölkerung durch Sanktionen, Kriege oder Repression geschwächt werde. Das Team untersuchte für den Bericht die menschenrechtliche Situation in 121 Ländern, von denen viele in den letzten 30 Jahren mit Sanktionen belegt wurden, entweder durch die USA und/oder durch die UNO.