Heute im Info nehmen wie dir Arbeitsbedingungen bei Nespresso in der Westschweiz und bei Furukawa in Ecuador unter die Lupe und wir berichten über einen Film in dessen Zentrum zwei Menschen mit schwerster Behinderung stehen.
Üble Arbeitsbedingungen bei Nespresso
Die Arbeitsbedingungen bei Nespresso hätten sich in den letzten Monaten stark verschlechtert, prangert die UNIA an. Alle Kaffeekapseln von Nespresso werden an drei Standorten in der Westschweiz produziert, in Orbe, Avanches und Romont. Im November hat die Gewerkschaft bei den Arbeiter*innen eine Umfrage durchgeführt an der sich rund 50% der Mitarbeitenden beteiligt haben. Diese hat ergeben, dass fast drei Viertel der Beschäftigten die Arbeitsbedingungen als «sehr stressig» empfinden würden. Die Schichten seien chronisch unterbelegt, ausserdem seien sie oftmals zu lang.
Auf die Kritik habe Nespresso bis anhin kaum reagiert, sagt Mediensprecher der UNIA, Philipp Zimmermann.
Moderne Sklaverei in Ecuador
Die Kritik am japanischen Konzern Furukawa reisst nicht ab. Dem Konzern wird vorgeworfen, in Ecuador moderne Sklaverei zu betreiben.
Eine journalistische Investigativ-Recherche machte den Fall anfangs 2018 publik. Furukawa produziert und exportiert Abacá-Fasern, welche für die Produktion von Glasfasern oder Banknoten gebraucht werden. Das Abacá-Geschäft macht Furukawa zu einem der grössten Agrarexporteure des südamerikanischen Landes.
Seit über 56 Jahren beschäftigt Furukawa ganze Familien inklusive Kinder unter äusserst skandalösen Bedingungen, sagt die Anwältin Patricia Carrión, welche mit der ökumenischen Kommission für Menschenrechte in Ecuador die Interessen und Forderungen der betroffenen Familien vertritt.
Rund 1200 Männer, Frauen, Kinder und ältere Leute habe Furukawa zu sehr niedrigen Löhnen beschäftigt. Sie wohnten in winzigen Zimmern ohne Strom, fliessendes Wasser und Anschluss an die Kanalisation.
Nach der Enthüllung des Falles wurde ein zivil- und ein strafrechtlicher Prozess angestossen, worauf auch die ecuadorianische Regierung auf Furukawa aufmerksam wurde. Anstatt die Forderungen der Betroffenen anzuerkennen und für Wiedergutmachung zu sorgen, versucht der Staat allerdings bis heute den Fall zu vertuschen. Im März 2019 organisierte er einen runden Tisch mit Tätern und Opfern, damit beide Parteien ihre «Rechte» verhandeln können. Diese Verhandlungen sind gescheitert.
Trotz zahlreichen Öffentlichkeits-Kampagnen und juristischen Klagen änderte sich laut Patricia Carrión auf den Plantagen kaum etwas. Die meisten der 1200 Betroffenen seien inzwischen entlassen worden. Sie erhielten eine Entschädigung von zwischen 100 und 500 US-Dollar, wenn sie sich verpflichteten, auf jegliche weiteren Forderungen zu verzichten. Der Konzern hat neue Arbeiter*innen rekrutiert.
«Von Inklusion profitieren wir alle»
Wie gehen Menschen damit um, wenn etwas ganz anders herauskommt, als sie es sich vorgestellt haben? Zum Beispiel, wenn das eigene Kind mit einer schweren Behinderung geboren wird? Diese Frage steht im Zentrum von Edgar Hagens neuem Dokumentarfilm Wer sind wir?. Darin begleitet der Basler Filmemacher Helena (19) und Jonas (11), zwei junge Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf.
Die Geschichten der Hauptfiguren machen deutlich: Für Eltern bedeutet eine schwerwiegende Diagnose eine emotionale Achterbahnfahrt sondergleichen, zumal auch die Kommunikation mit dem eigenen Kind anfänglich nur erschwert funktioniert. Es gilt, eine neue Sprache zu lernen, um die Bedürfnisse von Helena und Jonas ergründen und befriedigen zu können.
Zudem beleuchtet Edgar Hagens Dokumentarfilm auch den grundsätzlichen Umgang unserer Gesellschaft mit Menschen, die sich ausserhalb der Norm bewegen. Auch wenn Inklusion und Gleichstellung eigentlich auf dem *Papier garantiert wären, so hapert es mit der Umsetzung in der Realität in vielen Fällen gewaltig, insbesondere auch in Schulen. Mit der Torwiesenschule in Stuttgart, die Jonas besucht, porträtiert Wer sind wir? eine Institution, in der Inklusion auf höchstem Niveau betrieben wird. Das Beispiel zeigt: von einer Durchmischung von Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, körperlicher und geistiger Disponibilität profitieren letztendlich alle. Oder wie es eine der Lehrerinnen der Torwiesenschule formuliert: «Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist ein Stein, der vielleicht dazu führt, dass Menschen besser zu ihren Stärken und Schwächen stehen können, dass sich eine Gesellschaft anders entwickeln kann und wir dann vielleicht auch nicht mehr so viele Feindbilder brauchen.»
«Wer sind wir?» ist ein liebevoller, zugleich starker und wichtiger Film, der einen wesentlichen Beitrag zur Debatte beisteuert, wie wir Normen und Andersartigkeit definieren und weswegen sich ein Überdenken dieser Grenzziehungen mehr als lohnen würde.
Wer sind wir? Läuft im cineMovie, Bern
*2014 hat die Schweiz die Behindertenrechtskonvention der UNO ratifiziert, mit der sie sich verpflichtete, Menschen mit Behinderungen nicht zu diskriminieren und ihre Inklusion und Gleichstellung in der Gesellschaft zu fördern)