Ein umstrittener Entscheid über Sterbehilfe in Gefängnissen, ein Monsterprozess in Paris und rassistisch gefärbte Todesstrafen in den USA. Das sind die Themen im heutigen RaBe-Info.
Podcast der ganzen Sendung:
Kantone erlauben begleitete Suizidhilfe in Gefängnissen
Dem Entscheid, Sterbehilfe auch in Schweizer Gefängnissen zu ermöglichen, ginge eine lange und komplexe Debatte voraus. Dabei ging es um eine Abwägung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung, welche auch das Recht, den Zeitpunkt und die Umstände des Todes selber zu bestimmen, einschliesst und dem Anspruch des Staates auf die Verbüssung einer gerechten Strafe.
Schliesslich einigte sich die Konferenz der kantonalen Polizeidirektor*innen KKJPD darauf, begleitete Sterbehilfe in Gefängnissen grundsätzlich zu erlauben. Daraufhin beauftragte sie das Schweizer Kompetenzzentrum für Justizvollzug damit, eine Orientierungshilfe zu erarbeiten, welche die in allen Kantonen geltenden Grundsätze festhält, wie beispielsweise, dass das Anstaltspersonal oder die Gefängnismedizin sich nicht bei der Suizidhilfe nicht beteiligen dürfen oder dass dem Wunsch nach einem Freitod nur dann stattgegeben werden darf, wenn es die Aufklärung von Straftaten nicht behindert. Die detaillierten Rahmenbedingungen allerdings legen die kantonalen Vollzugsbehörden im Einzelfall fest. Umstritten war laut Alain Hofer, stellvertretender Generalsekretär der KKJPD insbesondere die Frage, ob Beihilfe zum Suizid auch innerhalb der Gefängnismauern möglich sein soll, weil dies einerseits sicherheitstechnisch heikler ist und andererseits spezielle Vorkehrungen und Infrastruktur braucht.
Alain Hofer geht davon aus, dass begleitete Suizidhilfe in Gefängnissen nur in Einzelfällen in Anspruch genommen werden wird. Dennoch sei es wichtig und richtig, dass die Kantone hier im Grundsatz eine einheitliche Haltung vertreten.
Historischer Charlie Hebdo-Prozess
Mitten im zweiten Corona-Lockdown geht in Frankreichs Hauptstadt Paris der grösste Terror-Prozess je über die Bühne. Seit anfangs September verhandelt das Gericht die Terroranschläge vom Januar 2015. Bei den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt starben insgesamt 17 Menschen. Die 3 Hauptattentäter hatte die Polizei damals erschossen. Vor Gericht stehen 14 Personen, welche bei den Vorbereitungen der Attentate geholfen haben sollen.
Laut der Juristin Noëlle Grossenbacher, welche derzeit in Paris weilt, kann man den Prozess aus vielerlei Gründen als historisch bezeichnen. Erstens ist er sehr gross angelegt, weil es neben dem Staat als Hauptankläger weitere 200 Zivilkläger*innen gibt, unter ihnen die Redaktion von Charlie Hebdo, der Supermarkt «Hypercachier», Überlebende und Angehörige. Zweitens ist der Prozess auch aufgrund seiner Bedeutung hinsichtlich der Zurückgewinnung von Kontrolle und Macht in Frankreich von grosser Bedeutung. Mit einem fairen, aber harten Prozess will der Staat ein Exempel gegen den Terror statuieren. Bedeutungsvoll ist der Prozess aber auch hinsichtlich der Meinungsfreiheit. Der Bewegung «je suis charlie», welche sich nach dem Attentat gebildet hat, ging es in erster Linie darum zu zeigen, dass es in einer liberalen Gesellschaft möglich sein muss, Karikaturen mit sehr provokativen, blasphemischen Inhalten zu veröffentlichen. In dieser Hinsicht hat die Redaktion von Charlie Hebdo zu Prozessbeginn erneut ein deutliches Zeichen gesetzt, in dem sie dieselben Karikaturen, welche damals zum Attentat geführt hatten, nochmals mit der Überschrift «tout ça pour ça» (all das für das) ohne Fragezeichen veröffentlichte.
Rassistische Todesstrafe in USA
Afroamerikaner*innen machen rund 14% der US-Bevölkerung aus, stellen aber fast 35% der Häftlinge im Todestrakt. Fast zwei Drittel der unschuldig Verurteilten, welche freigelassen wurden, sind Afroamerikaner*innen. In einigen Bundesstaaten ist die Wahrscheinlichkeit für ein Todesurteil dreimal höher für eine schwarze als für eine weisse Person.
Laut Sumit Bhattacharyya, USA-Experte von Amnesty International Deutschland sind dies nur drei Beispiele von vielen, welche aufzeigen, welch grosse Rolle die Hautfarbe in den USA bis heute bei der Verhängung von Todesurteilen spielt.
Bevor ein Todesurteil verhängt wird, geht es praktisch immer über den Tisch des Supreme Courts. Das US-Verfassungsgericht ist die letzte Instanz, welche über Leben oder Tod entscheidet. Die Richter*innen des Supreme Courts werden auf Lebzeiten gewählt und von der jeweils regierenden Partei ernannt. Derzeit besteht das Gericht aus 5 Republikanern und 3 Demokrat*innen, seit vor kurzem die demokratische Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsberg verstorben ist. Inzwischen hat die republikanische Partei bereits eine Nachfolgerin für Ginsberg präsentiert, obwohl es bis zu den Präsidentschaftswahlen kaum mehr 3 Wochen dauert. Wird sie vom Parlament bestätigt, wären es 6 Republikaner*innen und 3 Demokrat*innen im obersten und wichtigsten Gerichtshof der USA, was sich laut Sumit Bhattacharyya negativ auf die Vollstreckung von Todesurteilen auswirken würde.
Eben so wichtig ist die Haltung des US-Präsidenten, obwohl sich sein Einfluss auf die Bundesebene beschränkt. US-Präsident Donald Trump ist ein klarer Befürworter der Todesstrafe, was sich schon allein daran zeigt, dass seit Juli 2020 mehrere Todesurteile vollstreckt wurden, nachdem es vorher auf Bundesebene 17 Jahre lang keine Hinrichtungen gab. Sumit Bhattacharyya geht davon aus, dass Trump damit seine Wahlchancen verbessern will. Laut ARD versucht Trump derzeit fieberhaft, geeignete Fälle mit einem möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu finden. Unter ihnen ist auch Daniel Lee Lewis, ein White Supremacist, welcher wegen Mord an einem Waffenhändler, dessen Ehefrau und ihrer achtjährigen Tochter vor 11 Jahren zum Tode verurteilt wurde.