Die Stimme ist zwar eine menschliche, aber der Glanz der Augen, der starre Blick und die eckigen Bewegungen sind es nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Mann, der da auf der Bühne sitzt. Er ist unheimlich.
The Uncanny Valley (Stefan Kaegi / Rimini Protokoll) ist ein Ein-Mann-Stück, welches bei der diesjährigen Ausgabe des Theaterfestivals auawirleben zu sehen ist. Oder besser gesagt: ein Ein-Roboter-Stück. Was da im Scheinwerferlicht sitzt, sieht zwar aus wie ein Mann aus Fleisch und Blut, genauer: wie der deutsche Schriftsteller Thomas Melle und hat auch dessen Mimik und Gestik, ist aber ein Avatar, der nach Melles Vorbild gebaut wurde.
Dieser Avatar lotet im Stück «Uncanny Valley» während 90 Minuten das Verhältnis von Mensch und Maschine aus. Das tut er anhand zweier Biografien: Zum einen der des Autors Thomas Melle, wobei auch dessen manisch-depressive Erkrankung zur Sprache kommt, die er 2016 im Buch « Die Welt im Rücken» ausführlich beschrieb. Die andere Biografie, die angesprochen wird, ist diejenige des britischen Mathematikers und Kryptoanalytikers Alan Turing, der einen grossen Teil der theoretischen Grundlagen für die moderne Computertechnologie entwickelte.
Daneben kommen in «Uncanny Valley» über Video-Einspielungen auch Menschen zu Wort, die in irgendeiner Form künstliche Technologie mit Körpern verbinden. Dabei beleuchtet das Stück unser Unwohlsein mit Maschinen, wenn diese allzu menschenähnlicher Gestalt sind – eben das Phänomen des «uncanny valley» – und fragt danach, wie erstrebenswert Perfektion in unserer Gesellschaft ist. Sein Avatar würde nicht Stimmungsschwankungen unterliegen und könnte so jede Lesung auch wirklich durchführen, spricht die Stimme von Thomas ironischerweise gerade aus diesem Avatar. Bloss, ist es vielleicht nicht genau das Unperfekte, das die Einzigartigkeit des Menschen ausmacht? Und würden wir zusammen mit unseren Fehlern vielleicht auch unsere Menschlichkeit verlieren?
Der Audiobeitrag zum Stück:
The Uncanny Valley, Theaterfestival @ Schlachthaustheater, Freitag 14.5. 18:00 | Freitag 14.5. 20:00 | Samstag 15.5. 18:00 | Samstag 15.5. 20:00 | Sonntag 16.5. 18:00 | Sonntag 16.5. 20:00 | Publikumsgespräch am 15.5.2021 um 22:45 im Festivalzentrum auf dem Waisenhausplatz