Wer sich gegen das iranische Regime zur Wehr setzt, geht das Risiko ein, verhaftet, gefoltert oder getötet zu werden. Trotzdem gehen die Iraner*innen erneut zu Tausenden auf die Strasse. Auslöser der aktuellen Proteste ist der Tod von Masha Amini. Die 22-Jährige wurde in Polizeigewahrsam mutmasslich durch Schläge auf den Kopf getötet. Die Sittenpolizei hatte sie verhaftet, weil sie sich nicht an die religiösen Kleidungsvorschriften hielt.
Aus Solidarität mit dem Aufstand der Frauen in ihrem Heimatland zerstörte die in Bern lebende Künstlerin Zoya Mahallati vor dem iranischen Botschaft in Bern ihre preisgekrönte Lieblingsskulptur. Wie Masha Amini kommt Mahallati aus Iranisch-Kurdistan. Am Fest der Kulturen hatte sie für ihre Skulptur den 1. Preis gewonnen. Die Skulptur symbolisiere den Freiheitskampf der Frauen im Iran und mit deren Zerstörung wollte sie den iranischen Frauen zeigen, dass sie bei ihnen ist, sagt Mahallati.
Tag für Tag weiten sich die Proteste aus. Frauen schneiden sich die Haare ab, sie verbrennen ihre Kopftücher und reissen Bilder des unantastbaren, religiösen Führers Ayatollah Ali Chamenei von den Wänden. Eine Beleidigung von Chamenei kann im schlimmsten Fall mit dem Tod bestraft werden und trotzdem skandieren immer mehr Menschen auf den Strassen Irans: «Tod Chamenei!».
Bis heute weist das iranische Regime jegliche Vorwürfe zurück. Die Sittenpolizei habe den Tod von Mahsa Amini nicht gewaltsam herbeigeführt. Amini habe plötzlich «ein Problem mit dem Herzen gehabt» und sei dann ins Koma gefallen.Chamenei habe sich überhaupt nicht zum Vorfall geäussert und der iranische Präsident Ebrahim Raisi habe zwar eine Untersuchung versprochen, werde sie aber mit Sicherheit nicht durchführen, ist Zoya Mahallati überzeugt.
Erfahrungen mit der Sittenpolizei machen im Iran sehr viele Frauen. Die Sittenpolizei patrouilliert tagtäglich zu Fuss oder mit Bussen in den Strassen und hält Ausschau, ob sich irgendwer nicht an die religiösen Kleidungsvorschriften hält. Wenn sie Frauen sieht, die nicht alle Haarsträhnen unter dem Kopftuch verborgen haben, deren Mantel etwas zu kurz ist, die Lippenstift oder Makeup tragen, holt sie sie raus. Ebenso erging es auch der Künstlerin Zoya Mahallati. Sie selber hatte damals wegen einer Kontrolle der Sittenpolizei ihre Arbeit als Lehrerin verloren. Eine geplante Ausstellung mit Frauenkörpern wurde ihr verboten.
Die letzten grossen Proteste gab es 2019 aufgrund von Benzinpreiserhöhungen, wobei sie sich ausweiteten und der Ruf nach einem Systemwechsel immer lauter wurde. Doch das Regime erstickte die Proteste mit massiver Gewalt und Repression, über 1500 Iraner*innen haben ihr Leben verloren.
Auch dieses Mal hat Zoya Mahallati wenig Hoffnung, dass die Proteste tatsächlich etwas bewirken, Repression und Gewalt seien einfach zu gross. Trotzdem hofft sie, dass die Frauen weiter für ihre Freiheiten weiterkämpfen und diese auch bekommen. «Lasst die Haare der Frauen die Sonne sehen!», sagt Zoya Mahallati.