Wir begeben uns auf einen Spaziergang zu den Stätten der politischen Einflussnahme… und wir erzählen, warum die Stadt Bern jetzt 500 Bons für Gratis-Deutschkurse verlost.
Wie Lobbys die Schweizer Politik beeinflussen
Im Unterschied zu vielen anderen demokratischen Ländern, kennt die Schweiz kaum Regeln was den Lobbyismus betrifft. Parlamentarier*innen müssen nur offen legen, welche Interessensverbindungen sie haben, d.h. in welchen Unternehmungen, Verbänden und anderen Organisationen sie ein Mandat haben. Nicht offen gelegt ist, wie viel sie damit verdienen und welchen Lobbyist*innen sie einen direkten Zugang ins Bundeshaus gewähren. Die Organisation Lobbywatch hat seit ein paar Jahren angefangen, mehr Licht ins Dunkel zu bringen: Auf der Webseite lobbywatch.ch finden Interessierte viel detalliertere Informationen als auf der Webseite des Parlaments (Nationalrat und Ständerat).
«Kurz vor den Wahlen sind die Politiker*innen weitaus netter und geben mehr Auskunft, wenn wir sie anfragen, als normal», sagt Thomas Angeli gegenüber RaBe. Der Co-Präsident von Lobbywatch organisiert Spaziergänge durch Bern und zeigt, wo die Lobbys versuchen, unsere Parlamentarier*innen zu beeinflussen.
Ein Spaziergang mit Lobbywatch führt uns zum Beispiel zum Luxushotel und Restaurant «Bellevue». Hier finden während den Sessionen grosse Bankette statt, zu denen Interessensgruppen die Parlamentsmitglieder einladen. Solche Bankette kosten zuweilen Zehntausende Franken.
In der Schmiedstube an der Zeughausgasse lädt der Bauernverband oft ein. Das ist eine der einflussreichsten Lobbys. Einige Politiker*innen arbeiten auch ausserhalb des Parlaments für den Verband, sind in Kaderpositionen und werden für ihre Lobby-Arbeit fürstlich entlöhnt. Neben der Schmiedstube ist das Hotel Bern, der Treffpunkt der Linken und den einflussreichen Gewerkschaften. Nicht nur rechte und bürgerliche Politiker*innen sind beeinflussbar, sondern auch Grüne und Linke, die oft ebenfalls gut bezahlte Mandate in Verbänden haben. Allerdings dürfte auf linker Seite viel weniger Geld fliessen und sie seien weniger gut organisiert und vernetzt als die Bürgerlichen sagt Thomas Angeli. Für viele Parlamentarier*innen – egal ob links oder rechts – sind Lobbyist*innen auch deshalb wichtig, weil sie ihnen viel Arbeit abnehmen, denn die Schweizer Parlamentarier*innen sind offiziell immer noch Milizpolitiker*innen. Oft helfen Lobbyist*innen den Parlamentarier*innen komplexe Gesetze zu verstehen und erklären ihnen, warum sie wie stimmen sollen und wie sie argumentieren müssen.
In der Aarbergergasse befindet sich ein Sitz von Farner, einer PR-Unternehmung, die auf Wunsch auch Lobby-Arbeit betreibt. Bei Einzelgeschäften, zum Beispiel dem Kauf eines neuen Kampfjets, kommen nicht unbedingt Verbände zum Zug, sondern werden temporär Lobby-Unternehmungen von den Flugzeughersteller*innen angeheuert. Sie beginnen mit ihrer Arbeit zuweilen Jahre bevor das Geschäft überhaupt auf den Tisch kommt.
Politische Kräfte aus der Mitte und von Links wollen dem Lobbyismus Grenzen setzen. So sollen Parteien, Politiker*innen und Abstimmungskomitees vermehrt offenlegen, von wo sie ihr Geld erhalten. In den nächsten Jahren wird das Schweizer Stimmvolk deshalb über die Transparenzinitiative abstimmen. In einigen Kantonen und Städten wurden stärkere Transparenzregeln bereits eingeführt. «Doch auch bei mehr Transparenzregeln gibt es Lobbyismus», sagt Thomas Angeli. Er wird einfach ein bisschen offensichtlicher und kann vom Stimmvolk besser nachvollzogen werden.
Der nächste Lobbyspaziergang von Lobbywatch findet am Dienstag, 17. September 2019 statt. Treffpunkt: 18:45 Uhr Bundesplatz.
Deutschbon – Gutscheine für Deutschkurse
Im Rahmen des Pilotprojektes Deutschbon verlost das Kompetenzzentrum Integration der Stadt Bern insgesamt 500 Gutscheine à je 400 Franken für Deutschkurse. An der Verlosung teilnehmen können alle volljährigen, fremdsprachigen Einwohnenden der Stadt Bern, welche Prämienverbilligungen beziehen.
Die Deutschförderung ist Teil des Schwerpunkteplans Integration 2018-2021 der Stadt Bern. Im Austausch mit der Migrationsbevölkerung habe sich gezeigt, dass der Fokus auf die finanzielle Unterstützung von Sprachkenntnissen zu ihren zentralsten Anliegen gehören, weil sowohl die geänderten, gesetzlichen Rahmenbedingungen, als auch der Arbeitsmarkt immer bessere Deutschkenntnisse erfordern.
Für das Pilotprojekt Deutschbon hat der Gemeinderat einen Kredit von 250 000 Franken gesprochen. Laut Projektleiter Samuel Posselt habe man sich für diese aussergewöhnliche Mittel entschieden, weil entsprechende Erfahrungen aus Basel gezeigt hätten, dass man damit sehr gezielt motivierte Personen anzusprechen vermöge.
Die Ausschreibung des Projektes Deutschbon läuft bis am 3. November, anschliessend erfolgt die Auslosung. Geplant ist zudem eine Messe aller Deutschkursanbietenden, die mit der Stadt Bern zusammenarbeiten.