Um Geld zu verdienen zieht sich eine arbeitslose Schauspielerin eine Burka über und tritt ab sofort in Talkshows auf, wo sie den Moderator*innen Auskunft gibt über ihr vermeintliches Leben als Burkaträgerin. Oder eben auch nicht. Weder die Sendungsleiter*innen noch die anderen Talkgäste interessieren sich nämlich für die Frau unter der Hülle. Vielmehr wird lautstark darüber gestritten, ob die Burka denn nun ein «Leichentuch» sei, das Werte zerstöre, ein politisches Symbol oder eben doch nur ein Kleidungsstück, ein Gefängnis für die Frau oder eben doch kulturelles Zeugnis oder gar ein «geiles Überraschungspaket», weil man nicht wisse, was darunter stecke.
Das geschilderte Szenario entsprang der Feder der Berner Musikerin, Autorin und Theaterschaffende Sandra Künzi. In ihrer kurzen satirischen Erzählung «Die Hülle» nimmt sie die Debatte aufs Korn, die derzeit aufgrund der Verhüllungsinitiative geführt wird, über die wir am 7. März abstimmen. Drei Jahre lang hat Künzi an ihrem Text gearbeitet, der auf vergnügliche Art und Weise die Doppelmoral und Emotionalität entlarvt, mit der oftmals argumentiert wird. «In der Diskussion über die Burka geht es gar nicht um die Burka, sondern vor allem um uns selber, um unsere Klischees, Projektionen und Ängste», sagt die Autorin.
Sandra Künzi hat sich durchaus feministische Anliegen auf die Fahne geschrieben, rief sie doch beispielsweise 2005 die Autorinnenreihe Tittanic ins Leben. So einfach, wie es sich die linke Blase mit der Abstimmung am 7. März mache, sei es nicht mit dem Burkaverbot, sagt sie. Auch wenn Künzi in ihrer Erzählung «Die Hülle» keinen konkreten Abstimmungsvorschlag macht, so tut sie es doch indirekt: Nachdem die Protagonistin als vermeintliche Burkaträgerin durch diverse Talkshows getingelt ist und dabei realisierte, welchen Klischees muslimische Gläubige im Alltag ausgesetzt sind, wird sie der Sache müde. Sie lässt sich von einer Professorin dazu überreden, ein Studium zu beginnen. Darin verbirgt sich denn auch Künzis Rat: «Wissen aneignen. Das ist meine Empfehlung.»
Sandra Künzi im Interview mit RaBe: