Mehr Personal und mehr Geld für Frontex: Mit über 70% unterstützt das Schweizer Stimmvolk den Bundesbeschluss zur europäischen Grenzschutzagentur. Somit erhöht sich der Schweizer Beitrag an Frontex von heute 24 auf über 60 Millionen Franken, und aus aktuell 6 Vollzeitstellen aus der Schweiz, werden neu 40.
Dass das Referendum scheitern wird, war auch dem Referendumskomitee klar, die Deutlichkeit war dann doch eine Enttäuschung. Selam Habtemariam, Aktivistin beim Migrant Solidarity Network, bei Stop Isolation und Mitglied im No Frontex-Komitee räumt ein, der Versuch, mit einer breiten Debatte über die tödlichen Auswirkungen des europäischen Migrationssystem ein deutlicheres Nein zu erwirken, sei kläglich gescheitert.
Ohne Frontex kein Schengen und ohne Schengen keine Sicherheit, so das zentrale Argument der Befürwortenden im Abstimmungkampf. So wurde das deutliche JA des Stimmvolkes vielerorts denn auch als klares Votum für die Sicherheit der Schweiz interpretiert. «Sicherheit sollte für alle sein», und somit von der Gesellschaft neu definiert werden, anstatt auf dem Buckel der Unterdrückten abzustützen, kritisiert Selam Habtemariam.
Trotz dem deutlichen JA trug der schwierige Kampf des Referendumskomitees auch Früchte. Einerseits hat das Migrant Solidarity Network erreicht, dass mittlerweile sehr viel mehr Menschen wissen, was Frontex ist und macht, und andererseits habe man mit dem Referendum auch dazu beigetragen, «die so genannte Demokratie zu demokratisieren», sagt Habtemariam. Die Schweiz hat ein Ausländer*innenanteil von 25 Prozent, heisst jede vierte Person, die hier lebt, hat keine Möglichkeit, mitzubestimmen. Das Referendumskomitee bestand indes mehrheitlich aus Personen, welche kein solches Mitbestimmungsrecht besitzen.
Ziel des Komitees war, Denkanstösse zu geben, um das System von Grund auf zu überdenken. So findet es Habtemariam müssig darüber zu diskutieren, wie man das europäische Migrationskontroll-System reformieren könnte, so dass es allenfalls etwas humaner wird und nicht tagtäglich Menschen sterben und Menschenrechte systematisch verletzt werden. Das Migrant Solidarity Network wollte mit diesem Referendum das System an sich zur Debatte stellen.
Welche anderen Möglichkeiten es gäbe, zeigt der aktuelle Umgang Europas mit Geflüchteten aus der Ukraine. Der S-Status für Ukrainer*innen sei ein kleiner Lichtblick, räumt auch Selam Habtemariam ein. Aufgrund ihrer Auseinandersetzung und auch persönlichen Erfahrungen mit dem kapitalistischen, rassistischen System, sei sie jedoch nur mässig optimistisch.