Heute im Info sprechen wir über Contact Tracing Apps, über Patente auf Pflanzen und Tiere und über das Onlinetheater «Hyphe».
Corona-App: Weder Albtraum noch Zaubermittel
Im Kampf gegen das Coronavirus will der Bundesrat künftig auf die Unterstützung der sogenannten Contact-Tracing-App setzen. Diese App soll dazu beitragen eine erneute Epidemie so gut wie möglich einzudämmen. Ist die App einmal installiert, zeichnet sie all unsere Bewegungen auf und warnt uns, sofern es zu einer Begegnung mit einer infizierten Person kam. Dabei wird auch registriert, wie lange und wie nahe sich die Personen kamen. Derzeit befindet sich die App noch im Testbetrieb, doch bereits am 20. Mai will der Bundesrat nun die gesetzlichen Grundlagen für den ordentlichen Betrieb der App zu Handen des Paralements verabschieden. Das Parlament selbst wird dann vermutlich im Juni definitiv über die Zukunft der App befinden.
Grundsätzlich berücksichtigt die vom Bundesrat auf den Weg gebrachte Contact Tracing-App die Forderungen der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft bezüglich Privatsphäre und Datenschutz weitgehend. Dennoch bleiben wichtige Fragen offen. Dies stellen Amnesty International, die Digitale Gesellschaft und die Stiftung für Konsumentenschutz in einer gemeinsamen Erklärung an Bundesrat Berset und das Bundesamt für Gesundheit BAG fest. «Die Corona-App ist kein Zaubermittel gegen die Pandemie, sondern nur ein Hilfsmittel neben anderen Elementen wie Testen, Isolation und Zugang zu Gesundheitsversorgung», erklärt Erik Schönenberger von der Digitalen Gesellschaft Schweiz. «Sollte sich herausstellen, dass Proximity-Tracing per App das Contact-Tracing nicht wie erhofft unterstützen kann, muss das Experiment beendet werden. Entsprechend muss im Gesetz eine Evaluation vorgesehen werden.»
Entscheidend ist nicht nur die technische Umsetzung der App, sondern auch die Einbettung in die gesamte Präventionsstrategie. Laut den Informationen des Bundes wird den Personen, die mit der App wegen Kontakten mit Infizierten gewarnt werden, nicht empfohlen oder ermöglicht, sich auf Covid-19 testen zu lassen. Solange eine Person keine Symptome habe, seien keine medizinischen Abklärungen oder Tests notwendig, heisst es in einer entsprechenden Erklärung des BAG. Diese Test-Begrenzung auf Personen mit Symptomen wirft die Frage auf, wozu genau die App nützlich sein soll. Epidemiolog*innen hatten die Ausweitung der Testkriterien auf Personen gefordert, die durch die App gewarnt werden.
Mit der Begrenzung der Tests stellt sich ein weiteres Problem. Laut dem Bund wird den Personen, die mit der App gewarnt werden, eine «freiwillige Quarantäne» empfohlen. Mit der aktuellen gesetzlichen Grundlage haben diese Personen aber kein Anrecht auf Lohnfortzahlung. Die Lohnfortzahlung ist nur dann gewährleistet, wenn die Isolation durch ein ärztliches Zeugnis angeordnet wird. Da sich die gewarnten Personen jedoch nicht testen lassen können (solange sie keine Symptome haben), müssten sie sich freiwillig in Isolation begeben und auf ihren Lohn verzichten, ergänzt Erik Schönenberger: «Diese Begrenzung schränkt die Nützlichkeit der App und der mit ihr verbundenen Massnahmen wesentlich ein.»
Keine Patente auf Pflanzen und Tiere
Am 14. Mai entschied die Grosse Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA), dass Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung nicht mehr erteilt werden sollen. Ein Entscheid, den auch auch die Schweiz betrifft, da am EPA erteilte Patente auch hierzulande Gültigkeit haben.
Ein Erfolg also für das Netzwerk No Patents on Seeds? «Teilweise», sagt François Meienberg von Pro Specie rara. Noch gäbe es viele rechtliche Schlupflöcher, welche zum Beispiel Saatgutkonzerne wie die Basler Syngenta ausnützen können – mit weltweiten Folgen. Hat ein Konzern eine Pflanze oder eine Nutztierrasse patentiert, so haben andere Züchter*innen keinen Zugang mehr zu dieser Sorte, Bäuer*innen dürfen sie nicht mehr untereinander tauschen und in vielen Fällen auch nicht nachzüchten.
In der Info-Sendung lief eine gekürzte Version des Interviews, hier das ganze Gespräch mit François Meienberg:
Hyphe – Onlinegame und Performance in einem
Was haben Menschen und Pilze gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel. Gräbt man allerdings unter einem Pilz den Boden um, offenbart sich ein weitverzweigtes Netzwerk, worüber Pilze nicht nur untereinander, sondern auch mit Bäumen kommunizieren. Das Wood Wide Web ist quasi das Internet des Waldes.
Die Pilz-Analogie spielt denn auch eine zentrale Rolle im neuen Stück Hyphe von onlinetheater.live. Jahre vor der Corona-Krise hat das Kollektiv damit begonnen, sich mit dem Internet als Theaterraum zu beschäftigt und hat mit Hyphe nun ein Stück geschaffen, das irgendwo zwischen Onlinegame und Performance zu verorten ist. Rund 50 Mitspieler*innen können sich mit ihren Laptops ins Geschehen einschalten und mithelfen, die Frage zu verhandeln, wie nahe wir uns kommen können und welche Rolle radikale Ehrlichkeit dabei spielt.
Als Mitspielerin werfe ich Hyphen aus, also Pilzfäden, um mich mit anderen Teilnehmer*innen zu verbinden und in einem Textfeld gemeinsam Fragen zu beantworten. «Wovor hast du dich als Kind gefürchtet? Was sind deine Ticks? Muss Geben und Nehmen immer in der Balance sein in einer Beziehung? Wie ehrlich warst du gerade beim Antworten?» Mit Fragen wie diesen stellt sich beim Spielen relativ schnell eine Intimität mit einem Gegenüber ein, zumal der anonyme Rahmen der virtuellen Welt einen wohl ehrlicher antworten lässt, als man dies in der Realität tun würde. Der Bildschirm zeigt: Das Netzwerk wächst und beginnt sich zu festigen.
Bei Hyphen mitzuspielen ist kurzweilig und unterhaltsam, zumal mit der Chatfunktion eine zusätzliche Ebene geschaffen wurde, über welche sich die Teilnehmenden austauschen und ins Spiel einbringen können. Wenn sich dann auch noch die Figur Jan Schäfer (Saladin Dellers) live ins Geschehen einschaltet und mit beinahe schon sektiererischem Eifer die Gefolgschaft zu absoluter und radikaler Ehrlichkeit auffordert, entwickelt sich eine zusätzliche Dynamik, die ungut an Fernsehprediger und Verschwörungstheoretiker erinnert und damit wiederum eine Brücke zum Jetzt schlägt. Somit wäre denn auch die Frage beantwortet, ob eine Game-Performance wie Hyphe noch Theater sei. Auf jeden Fall.
Hyphe noch vom 20. – 24. Mai 2020, Anmeldung hier
Audio-Beitrag mit Interviewmitschnitten der Hyphen-Machenden