Den mitteleuropäischen Nutztieren droht die afrikanische Schweinepest, die Berner Fotografin Karin Scheidegger gibt ein konzernkritisches Reportagebuch heraus und in Thailand häufen sich die Proteste gegen Regierung und Königshaus. Dies und mehr gibts im heutigen Info-Podcast zu hören:
«Eine Frage der Zeit»
Vor rund 25 Jahren hielt BSE die Welt in Atem. Damals mussten weltweit über vier Millionen Rinder geschlachtet werden, rund 180’000 Tiere starben an der umgangssprachlich als «Rinderwahn» bekannten Krankheit. Nun droht den Nutztieren in Mitteleuropa neues Ungemach: Die Afrikanische Schweinepest ist auf dem Vormarsch, sie breitet sich vom Osten her immer mehr aus. Im deutschen Bundesland Brandenburg konnten bereits 19 Fälle bestätigt werden, alles tot aufgefundene Wildschweine. Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass es wohl nur eine Frage der Zeit ist, bis auch erste Hausschweine am Virus erkranken.
Laut dem deutschen Friedrich Löffler Institut kann die Krankheit sowohl von Tier zu Tier direkt übertragen werden als auch indirekt, über landwirtschaftliche genutzte Geräte beispielsweise oder über die Kleider von Landwirtinnen. Für Menschen birgt das Virus keine gesundheitlichen Gefahren. Für Tiere gibt es bislang weder eine Impfung noch eine Möglichkeit zur Behandlung. Um die Seuche in den Griff zu bekommen, bleibt den Landwirten nur die sofortige Schlachtung aller Tiere.
Lukas Perler, Leiter Tierseuchenbekämpfung beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, erklärt gegenüber RaBe: «Die Afrikanische Schweinepest ist auch für die Populationen in der Schweiz eine reale Bedrohung. Rund 9 von 10 Schweinen, die sich mit dem Virus anstecken sterben daran.»
«Sieben Jahre Tränen, Schweiss und Blut»
Karin Scheidegger ist ein Multitalent: Sie ist Fotografin, Menschenrechts- und Umweltaktivistin und legt als Dr. Minx zeitgenössische Weltmusik auf. Und ausserdem ist Karin Scheidegger kriminell, zumindest wenn es nach dem indischen Staat geht, der die Bernerin mit einem Einreiseverbot belegt hat. Wie es dazu gekommen ist, erzählt sie nun im Reportage-Fotobuch «Rich Land of Poor People – Reiches Land armer Leute».
2013 reiste Karin Scheidegger als Touristin nach Indien. In Chhattisgarh schoss sie in der Umgebung einer Tochterfirma des Schweizer Grosskonzerns Holcim (heute LafargeHolcim) ein Foto. Sie fotografierte nichts Aussergewöhnliches, Gefährliches oder Verbotenes, sondern einfach nur ein Schild. Nichtsdestotrotz näherten sich kurze Zeit später vier Sicherheitsleute Karin Scheidegger und verprügelten ihren Fahrer.
Scheidegger realisierte, dass ihre Geschichte symptomatisch steht für eine andere, eine grössere Geschichte. Wer sich in Indien auch nur ansatzweise gegen eine Industriemacht wehrt oder verdächtigt wird, dies zu tun, muss mit Repression und Kriminalisierung rechnen. Diese Erfahrungen machen auch die die Arbeiter*innen, die in den Fabriken in Chhattisgarh unter widrigen Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden und die indische Gewerkschaft PCSS, die sich für die Rechte dieser Arbeiter*innen einsetzt.
Diesen Menschen hat Karin Scheidegger nun auch ihr Reportagemagazin «Reiches Land armer Leute» gewidmet. Dieses ist fotografischer Essay, eine Geschichte David gegen Goliath und persönlicher Erfahrungsbericht in einem. Anschaulich liefert sie eine Vielzahl an Informationen und historischen Hintergründen und zeigt Zusammenhänge zwischen industriellem Landbau und der exemplarischen Ausbeutung der Ärmsten durch Grosskonzerne auf. «Mein Buch ist auch als Beitrag zur aktuellen Debatte um die Konzernverantwortungsinitiative zu verstehen», sagt sie.
Sieben Jahre lang hat Karin Scheidegger an ihrer Reportage gearbeitet und dabei alles in kompletter Eigenregie entworfen, d.h. sämtliche Fotos geschossen, selber getextet, das Layout gestaltet und das Buch im Eigenverlag herausgegeben. «Sieben Jahre voller Blut, Schweiss und Tränen waren das. Aber ich musste mir diese Geschichte einfach von der Seele schreiben», sagt Scheidegger im Interview mit RaBe:
Buchvernissage 24. September 19 Uhr im Off-Space der Kornhausbibliothek, Karin Scheidegger ist im Anschluss während einer Woche zu Gast im Kornhaus; Finnissage 30. September 19 Uhr mit einem Künstler*innengespräch mit der Fotografin Corinne Futterlieb.
Thailand in Aufruhr
Seit Juli gehen in Thailand vor allem Jugendliche, Studierende und junge Erwachsene auf die Strasse. Vergangenes Wochenende fanden die Demonstrationen einen vorläufigen Höhepunkt, mehrere Zehntausend Menschen beteiligten sich an verschiedenen Orten in Bangkok. Diese Welle des Protests ist die zweite in diesem Jahr, bereits im Februar gab es im südostasiatischen Land viele Demonstrationen. Grund dafür war das Verbot der Future Forward Partei, welches vom Verfassungsgericht ausgesprochen wurde. Die Future Forward Partei erhielt in den Wahlen zuvor rund 18% der Stimmen und war drittstärkste Kraft im Land. Corona setzte der Protestwelle im Frühling jedoch ein jähes Ende.
Der Unmut der jetzigen Bewegung richtet sich einerseits gegen die Regierung. Durch einen Militärputsch kam 2014 der ehemalige Armeechef Prayut Chan-o-Cha an die Spitze des Landes, er amtiert nun mit der Unterstützung einer Pro-Junta-Partei. Andererseits richten sich die Demonstrationen auch gegen das Königshaus – ein massiver Tabubruch, verfügt Thailand doch über eines der strengsten Lèse-Majesté-Gesetzen der Welt. So wurde zum Beispiel 2007 ein Schweizer zu 10 Jahren Haft verurteilt, weil er Plakate des damaligen Königs mit schwarzer Farbe besprüht hatte. Die Höchststrafe für Majestätsbeleidigung liegt sogar bei 15 Jahren Haft.
«Ich vermute, dass es Interessensgruppen gibt im Umfeld des Königs Maha Vajiralongkorn, die die Rolle des Monarchen kritisch sehen und die Proteste im Verborgenen unterstützen. Deswegen trauen sich Militär und Regierung nicht, stärker gegen Demonstrierende vorzugehen», erklärt Felix Heiduk, Asien-Experte bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. Es sei durchaus möglich, dass sich die Proteste in den kommenden Wochen und Monaten noch vergrösserten, falls die ökonomische Lage im Land sich weiter verschlechtere, erklärt Heiduk im Interview mit RaBe.