Die Schweizer Justiz bearbeitet immer mehr Fälle im Zusammenhang mit Verstössen gegen das Tierschutzgesetz, in Zürich gehen die «Porny Days» über die Bühne und im Radioblog setzt sich die multimedial Künstlerin Sarah Elena Müller mit illustren Gästen an den runden Tisch, um über die Konzernverantwortungsinitiative abzustimmen.
Podcast der ganzen Sendung:
Tiere haben Rechte! Strafpraxis in der Schweiz
Seit dem Jahr 2003 gelten Tiere in der Schweizer Gesetzgebung nicht mehr als Objekte sondern als empfindungsfähige Wesen. Durch das Tierschutzgesetz ist ihre Würde geschützt, nach Artikel 4 darf ihnen niemand ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen, sie in Angst versetzen oder in anderer Weise ihre Würde missachten. Weitere Gesetzesartikel sowie die Tierschutzverordnung regeln dann ganz genau, welche Spezies unter welchen Umständen gehalten und genutzt werden darf. Verstösst eine Person gegen diese Gesetze, so kann sie mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder sehr hohen Geldbussen sanktioniert werden. Ein Strafrahmen, welcher jedoch nie ausgenützt werde, kritisiert die gemeinnützige Stiftung «Tier im Recht». Sie veröffentlichte gestern eine Analyse zur Schweizer Strafpraxis im Jahre 2019.
«Selbst für massive Verstösse gibt es selten eine unbedingte Geldstrafe», erklärt Christine Künzli, stellvertretende Geschäftsleiterin der Stiftung «Tier im Recht» im Interview mit RaBe. Die Stiftung stelle immer wieder eine Bagatellisierung bei Tierschutzdelikten fest.
Ausserdem dominierten die sogenannten Strafbefehlsverfahren. Diese Form der Verfahren kommt ohne Anklage vor Gericht zu Stande. «Tierschutzverstösse werden so der öffentlichen, medialen Kontrolle entzogen. Tierschutz ist aber im gesellschaftlichen Interesse und sollte dementsprechend auch öffentlich behandelt werden», kritisiert Künzli.
Seit mehreren Jahren nehme jedoch die Anzahl an Verfahren im Zusammenhang mit dem Tierschutzgesetz kontinuierlich zu, dies sei eine erfreuliche Nachricht, denn sie zeige, dass die Behörden sensibilisierter seien. So gehe unter anderem der Kanton Bern mit gutem Beispiel voran, hier wurden im letzten Jahr 310 Strafverfahren geführt; die Kantonspolizei habe eine spezifische Fachstelle geschaffen, die Verstösse gegen das Tierschutzgesetz zur Anzeige bringt.
Die meisten Verfahren gäbe es gegen Hundehalter*innen und gegen Landwirt*innen, die Rinder halten. Laut dem gestern veröffentlichten Bericht der Stiftung «Tier im Recht» kommen Verfahren wegen Gesetzesübertretungen bei der Haltung von Schweinen und Hühnern viel seltener zu Stande. «Die Sichtbarkeit und auch die Empathie für gewisse Tierarten sowohl bei der Gesellschaft, die Hinweise und Anzeigen einreicht, als auch bei den Strafverfolgungsbehörden spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle», so Künzli.
«Deep Throat» bei den Porny Days
Es habe hausintern für Stirnrunzeln gesorgt, dass sie bei den Porny Days ein Referat zu einem Pornofilm halte, sagt Monika Dommann, Professorin für Geschichte der Neuzeit an der Uni Zürich. Dabei sei Deep Throat für sie ganz einfach eine spannende historische Quelle, an der sich gleich mehrere Skandalmomente festmachen liessen.
Tatsächlich sorgte Deep Throat von Regisseur Gerard Damiano für rote Köpfe und hitzige Debatten an mehreren Fronten, als er 1972 als erster Pornofilm überhaupt in Mainstream-Kinos gezeigt wurde. Die New York Times half mit, den Film quasi salonfähig zu machen, indem sie diesen unter dem Titel «Porn Chic» besprach und ins Bewusstsein einer breiten Leserschaft rückte.
Der Plot von Deep Throat könnte absurder nicht sein: Linda ist frustriert, weil sie noch nie einen Orgasmus erlebt hat. Auf den Rat ihrer besten Freundin sucht sie einen Arzt auf, der feststellt, dass bei Linda die Klitoris nicht Teil der Vulva ist, sondern tief in ihrem Rachen steckt. Um einen Orgasmus zu erleben, muss Linda also Oralsex mit Männern praktizieren.
Dass der Film eine patriarchale, machistische und heteronormative Männefantasie bediene, sei nicht von der Hand zu weisen, sagt Monika Dommann. Immerhin werde aber die Klitoris als weibliches Lustzentrum in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, was auch in Zusammenhang stehe mit der Frauenbewegung und der sexuellen Revolution der frühen 1970er-Jahre.
Spannend seien auch die Produktionsbedingungen des Filmes, sagt Dommann. Deep Throat ist ein Low-Budget-Movie, der mit gerade mal 23’000 US-Dollar gedreht wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass er bis zu 600 Millionen Dollar eingespielt haben dürfte, womit Deep Throat der profitabelste Film überhaupt wäre. Gleichzeitig berichtete Hauptdarstellerin Linda Boreman in ihrer 1980 veröffentlichen Biografie «Ordeal» von Zwang und Vergewaltigung auf dem Filmset. Ausserdem rief der Streifen die Zensurbehörde auf den Plan, weswegen er in mehr als der Hälfte aller Bundesstaaten nicht gezeigt werden durfte. Zudem wurde Hauptdarsteller Harry Reems aufgrund von Massnahmen des FBIs zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die dann allerdings in zweiter Instanz wieder aufgehoben wurde.
Das einzig wirklich Lustige an Deep Throat sei die filmische Umsetzung eines weiblichen Orgasmus, sagt Monika Dommann. «Da wurden Bilder von Glocken, Feuerwerk und Raketenstarts in schnellen Schnitten parallel montiert.» Für die Raumfahrtbilder sei Regisseur Damiano offenbar extra nach Washington gefahren. Schliesslich sei es auch die Zeit der Raumschifffahrt gewesen, auf welche die Amerikaner besonders stolz gewesen seien.
Der Audio-Beitrag mit Interviewausschnitten:
«Deep Throat» mit Referat von Geschichtsprofessorin Monika Dommann wird im Rahmen der Porny Days gezeigt, welche am 27. und 28.11.20 im Kino Riffraff in Zürich stattfindet. Die Porny Days vereinen Filme, Performances, Paneldiskussionen, Lesungen, Workshops und Kunst zum Thema Körperlichkeit und Sexualität und wollen damit einen Kontrapunkt setzen zu Mainstream-Pornografie und Neo-Prüderei. Das ganze Programm gibt’s hier.
Radioblog
Kaum eine andere Initiative wurde so lange diskutiert wie die Konzernverantwortungsinitiative. Diese will, das Schweizer Unternehmen prüfen müssen, ob ihre Zulieferer im Ausland die europäischen Menschenrechtsstandards einhalten. Falls sie dies nicht tun, und es zu Verletzungen kommt, könnten Unternehmen dafür haftbar gemacht werden. In unserer Heutigen Hörkolumne zeigt Musikerin Sarah Elena Mueller, wie schwierig es ist, mit der Moral Kompromisse zu machen.