Heute im RaBe-Info werfen wir einen Blick auf die Beschwerde gegen das faktische Kundgebungsverbot im Kanton Bern und gehen der Frage nach, wie mit Hass-Posts im Netz bestenfalls umgegangen werden kann.
Den Podcast gibt es hier:
Druck auf Berner Kundgebungsverbot
10 Organisationen und Parteien haben beim Bundesgericht Beschwerde gegen das faktische Kundgebungsverbot im Kanton Bern eingereicht.
Seit Dezember 2020 bis vorerst Ende April 2021 erlaubt der Kanton Bern nur noch Kundgebungen bis maximal 15 Personen. Diese starke Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit begründet Berner Regierungsrat Philippe Müller mit epidemiologischen, gesundheitlichen Gründen. Man habe beschlossen, die Vorgabe des Bundes bezüglich der Beschränkung von Versammlungen auf maximal 15 Personen auf alle Veranstaltungen anzuwenden, egal, ob es sich dabei um eine Grillparty oder eine politische Kundgebung handle. Dies sei tatsächlich ein faktisches Kundgebungsverbot, so Müller, weil mit 15 Personen ein politisches Zeichen zu setzen sei schlicht unmöglich.
Genau hier liegt laut den Beschwerdeführenden der Hund begraben. Politische Kundgebungen seien ein zentrales Element der Demokratie, der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit und liessen sich deshalb nicht in denselben Topf werfen wie Grillparties.
Laut Simone Machado, Stadträtin der Grün alternativen Partei und im Vorstand der Demokratischen Jurist*innen verstösst die Verordnung des Kantons Bern gegen Bundesrecht, weil der Bundesrat politische Kundgebungen explizit aus den Beschränkungen für Versammlungen ausgenommen habe. Gerade die Stadt Bern als politisches Zentrum der Schweiz müsse politischen Kundgebungen möglichst viel Raum bieten, ist Machado überzeugt. Trotzdem gehört der Kanton Bern zu den schweizweit restriktivsten Kantonen, was Kundgebungen betrifft.
Hass im Netz: Was tun?
Wer sich im Internet bewegt, weiss es: Die Hemmschwelle andere Menschen zu beleidigen, scheint für manche Userinnen und User sehr tief zu sein. Vor allem gegenüber Politiker*innen und Minderheiten verlieren Kommentarschreibende oft jeglichen Respekt. Dabei sei die Menge an Hass-Posts gegenüber Frauen und Männern in etwa gleich, sie würden sich jedoch im Inhalt klar unterscheiden, erklärt Lea Stahel vom soziologischen Institut der Uni Zürich gegenüber RaBe. Sie promovierte zum Thema «Aggressionen im Internet», untersucht dabei, warum Menschen im Internet aggressiv werden und welchen Effekt diese Angriffe auf Zielpersonen haben.
Übermorgen Donnerstag referiert Stahel im Rahmen der öffentlichen Ringvorlesung Happy Helvetia? 50 Jahre Frauenstimmrecht über Angriffe gegen Politiker*Innen in den Sozialen Medien.
Laut Stahel sei Ignorieren eine mögliche Strategie gegen Aggressionen im Internet, sie plädiert jedoch eher für digitale Zivilcourage. «Experimente haben gezeigt, dass wenn ein Publikum über längere Zeit konfrontiert ist mit abwertenden Kommentaren gegenüber einer Person oder einer Gruppe, dass diese Person oder Gruppe dann in den Augen des Publikums an Glaubwürdigkeit verliert.» Auch gesellschaftlich könne es problematisch sein, Hass-Kommentare einfach stehen zu lassen. Denn dies führe unter Umständen zu einer Normalisierung von Aggressionen und zu einer Verschiebung des Diskurses.
Der Vortrag «Angriffe gegen Politiker*innen in den Sozialen Medien: Geschlechtereffekte, Auswirkungen, und Beispiele aus der Schweiz» findet donnerstags von 18.15 bis 19.45 Uhr online via Zoom statt. Anmeldung via E-Mail an: izfg-info@izfg.unibe.ch
Organisiert wird die Veranstaltungsreihe vom «Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung» der Uni Bern, sie steht allen Interessierten offen und ist kostenlos.