Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau liegt hierzulande offensichtlich einiges im Argen. Die Schweiz gehört bei den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Einkommen und Renten im europäischen Vergleich zu den Spitzenreiter*innen. Und die Meldungen von Ende letzter Woche lassen wenig Hoffnung aufkeimen, dass sich daran nächstens etwas ändern wird, ganz im Gegenteil.
Wie der kürzlich vom Bundesrat verabschiedete Bericht zum Gender Overall Earnings Gap zeigt, verdienten Frauen im Jahr 2020 im Schnitt über 40% weniger als Männer und erhielten somit auch viel weniger Rente, nämlich 34% weniger – Tendenz steigend.
Die Situation sei schwierig, sagt Gabriela Medici, Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes zuständig für Sozialpolitik. Die Schweiz brauche dringend eine Altersvorsorge, die auch für Personen funktioniere, die Kinder hatten. Diese Personen trügen wesentlich dazu bei, die AHV längerfristig zu sichern und würden gleichzeitig am wenigsten Rente erhalten.
Doch genau bei diesen Personen wollen Bundesrat und bürgerliche Parlamentsmehrheit mit der AHV21-Reform erneut den Rotstift ansetzen. Die AHV21-Reform, über die wir am 25. September 2022 abstimmen, führe zu einem zusätzlichen Rentenabbau im Umfang von 26 000 Franken lebenslänglich oder 100 Franken weniger pro Monat.
Das Problem der zu tiefen Frauenrenten haben mittlerweile sämtliche Parteien anerkannt. Bei den Lösungsvorschlägen aber driften Links und Rechts weit auseinander.
Linksparteien und Gewerkschaften wollen die AHV stärken, weil dort alle versichert sind und 92% der Bevölkerung mehr erhält als sie eingezahlt hat. Bei der 2.Säule, der beruflichen Vorsorge hingegen gäbe es eine ganze Reihe von Problemen. Ein Drittel aller Frauen und selbst 20% der Männer hätten überhaupt keine Pensionskasse und somit auch keinen Zugang. Zudem gäbe es dort keinen Teuerungsausgleich, keine Sicherheit und seit Jahren sinkende Renten.
Trotzdem wollen die bürgerlichen Parteien das Problem der zu tiefen Frauenrenten über eine Reform der beruflichen Vorsorge angehen. Im aktuellen Abstimmungskampf betonten sie immer wieder, es brauche die AHV21-Reform, um die angeblichen Löcher zu stopfen. Dafür werde das Parlament bei der Reform der beruflichen Vorsorge stärker an die Frauen denken.
Daraus ist nun allerdings zumindest vorerst nichts geworden. Ende letzter Woche entschied die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit, die dringend notwendige BVG-Reform auf die nächste Session zu verschieben.
Gabriela Medici rechnet nicht damit, dass hier noch irgendetwas Gangbares herauskommt. Im Gegenteil setze der Nationalrat stattdessen auf weitere Rentenkürzungen für Teilzeitarbeitende, während sich der Ständerat schlicht nicht einigen kann.