Im heutigen RaBe-Info äussern sich: Eine Gassenarbeiterin zu den schwierigen Anmeldemöglichkeiten für Wohnungslose, zwei Hebammen zum Vaterschaftsurlaub und ein Vorkämpfer für die Hof- und Weidetötung zum Tierschutz.
Fehlende Anmeldemöglichkeit für Obdachlose
Ohne Wohnung keine Adresse und ohne Adresse keine Sozialleistungen – das ist die knallharte Realität für wohnungslose Menschen in der Stadt Bern. Oftmals beginnt das Problem bereits bei der Wohnungssuche, denn auch bei der Bewerbung für eine Wohnung muss eine Adresse angegeben werden. Um von den Berner Sozialdiensten gebrauch machen zu können, müssen Wohnungslose jedoch zwingend über eine Meldeadresse, respektive über einen Briefkasten verfügen. Das bedeutet: Wer sich nicht anmelden kann, hat keinen Zugang zum Sozialamt, zum RAV, zur IV und ist ohne Adresse für Behörden, Arbeitgeber*innen, Immobilienverwaltungen oder Krankenkassen grundsätzlich nicht erreichbar. Davon betroffen sind in der Stadt Bern schätzungsweise rund 600 Personen – Tendenz steigend. Hinzu kommt, dass sich die Situation für wohnungslose Menschen aufgrund der Corona-Krise noch einmal massiv verschärft hat.
Für die Berner Gassenarbeiterin und Politikerin Eva Gammenthaler ein unhaltbarer Zustand. Vergangene Woche hat sie deshalb im Stadtrat eine dringliche Motion eingereicht, die eine niederschwellige Anmeldemöglichkeit für wohnungslose Menschen in Bern fordert. Doch gerade in Zeiten von Sparmassnahmen und Krisenbewältigung haben solche Motionen einen schweren Stand.
Hebammen über den Vaterschaftsurlaub
Schafhirten sprechen über das Jagdgesetz. Armeevertreterinnen dürfen sich zum Kauf von neuen Kampfjets äussern. Es ist gängige journalistische Praxis im Vorfeld jeder Abstimmung den Expert*innen das Wort zu übergeben – dank ihren Einschätzungen sollen sich die Stimmbürger*innen ein Bild machen können von einer Vorlage.
In der Diskussion um den Vaterschaftsurlaub wurde eine Meinung bis anhin aber ausgeklammert: Hebammen haben ein breites Wissen über das Wochenbett und viel Erfahrung dazu, was Mutter und Kind in dieser Zeit gut tun würde. «Ich habe aber keine einzige Hebamme gesehen, die zum Beispiel in der Arena Stellung nimmt zum Thema», kritisiert Martina Schürch, Hebamme in Ausbildung an der Berner Fachhochschule. Und ihre Kollegin Christine Amato ergänzt: «Wir arbeiten auch nachts und am Wochenende, somit bleibt vielen Hebammen nicht auch noch die Zeit und die Kraft, sich öffentlich zu einem Thema zu äussern, in dem sie eigentlich Expertinnen wären.»
Trotz dieser beruflichen Belastung diskutieren Schürch und Amato jedoch gerne über die Abstimmung zum Vaterschaftsurlaub, die am kommenden Sonntag stattfindet. Es sei imminent wichtig, dass der Vater nach der Geburt bei seiner Partnerin und seinem Kind bleiben könne, «es ist wie bei einem Haus – das Fundament ist das allerwichtigste», sagt etwa Martina Schürch. Die beiden Hebammen wünschen sich ein möglichst flexibles Elternzeitmodell, so dass sowohl Mütter als auch Väter selbst entscheiden könnten, wie viel Urlaub sie beziehen möchten. Christine Amato und Martina Schürch berichten sogar von einem gewissen Zeitdruck, welche Väter heutzutage bei der Geburt ihres Kindes verspüren würden. «Männer drängen eher dazu, eine Geburt zu beschleunigen. Sie argumentieren, dass der Arbeitgeber sie morgen wieder erwarte», erklärt Amato im Interview mit RaBe.
Hof- und Weidetötung: Nutztieren den qualvollen Weg zum Schlachthof ersparen
Seit dem 1. Juli 2020 ist in der Schweiz die Hof- und Weidetötung von Nutztieren in der Schweiz erlaubt. Landwirt*innen können eine Bewilligung beantragen, um ihre Tiere direkt auf dem Hof zu töten und ihnen damit den stressigen und oft qualvollen Transport in die Schlachthäuser zu ersparen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen so genannten Hoftötungen, wo die Tiere mit einem Bolzenschuss betäubt und anschliessend entblutet werden, und den Weidetötungen, wo die Tiere aus der Distanz mit dem Jagdgewehr getötet werden.
Seit dem 1. Juli 2020 ist die neue Verordnung in Kraft und seit August laufen die ersten Bewilligungsverfahren. Ein wichtiger Schritt für den Tierschutz, freut sich Eric Meili, Vorkämpfer für die Hof- und Weidetötung und ehemaliger Berater am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL. Meili hat bei der Ausgestaltung des Bewilligungsverfahrens mitgearbeitet und berät heute Landwirt*innen und Metzgereien, welche eine Bewilligung beantragen wollen.
Das Verfahren ist mit seinen detaillierten Vorgaben zum Vorgehen und zu den Einrichtungen sehr streng ausgestaltet.
Dies sei aber wichtig, denn man wolle «kein Wild West auf den Höfen», so Meili. Zudem erlaube das Bewilligungsverfahren den kantonalen Veterinärämtern, die Praxis auf den Betrieben zu überprüfen. Bei Hoftötungen erfolge dies mit Stichproben und bei Weidetötungen sei sowieso immer ein Tierarzt oder eine Tierärztin vor Ort.
Widerstand erfuhr die Hof- und Weidetötung insbesondere seitens der grossen Schlachthöfe und dem Schweizer Fleisch-Fachverband, welche einen grundsätzlichen Angriff auf den Transport von lebendigen Tieren befürchteten. Diese Sorge sei allerdings zumindest bis dato unberechtigt: Bis heute seien rund 140 Gesuche von Metzgereien und Höfen, die ihr Fleisch direkt ab Hof verkaufen, für Hof- und Weidetötungen eingegangen.
Gemeinsam mit Schweizer Bio-Labels und Tierschutzorganisationen plant Meili auf bioaktuell.ch eine Schweizer Karte aufzuschalten, wo die Betriebe mit Hof- und Weideschlachtung verzeichnet werden sollen.
Eric Meili im Gespräch mit RaBe: