Seit 2008 wusste der Pharmakonzern Lonza, dass die hochgiftige und krebserregende Substanz Benzidin aus seiner Chemiemülldeponie Gamsenried bei Visp (VS) ausläuft. Doch Lonza hielt die schwerwiegenden Analyseergebnisse offenbar fast 12 Jahre zurück, wie Recherchen von OEKOSKOP und infosperber.ch jetzt zeigen. Das Walliser Umweltamt erfuhr nämlich erst dieses Jahr davon.
Das gravierende Versäumnis von damals kommentiert Lonza Anfang April 2020 ziemlich salopp: «Die Relevanz von Benzidin» scheine 2008 «nicht erkannt worden zu sein». Ein Kommentar, der wenig glaubwürdig erscheint, meint Martin Forter, Altlastenexperte und Geschäftsführer von Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz: «Die Gefahren, die von Benzidin ausgehen sind im Kanton Wallis spätestens seit 2005 bekannt». Damals kam die Substanz in Monthey bei Analysen von Grundwasser im Umfeld der Fabriken des Chemiekonzerns Ciba und des Pestizid-Herstellers Syngenta zum Vorschein. Da in der Altlastenverordnung ein Grenzwert für Benzidin fehlte, musste er hergeleitet werden. Das beauftragte Ingenieurbüro BMG legte die zulässige Maximalmenge für Benzidin daraufhin bei 1.5 Nanogramm pro Liter fest – einer der tiefsten Grenzwerte in der Altlastenverordnung überhaupt. Liegt die Benzidin-Konzentration über diesem strengen Limit, muss der Verschmutzungsherd umgehend saniert werden. Vor einer solchen Sanierung drückte sich die Lonza jedoch, denn diese wäre vermutlich ziemlich massiv und vor allem teuer ausgefallen. Schliesslich lag die im Jahr 2008 vom Labor CIMO im Grundwasser bei Gamsenried abgeschätzte Benzidin-Konzentration 1000 bis 3800-fach über dem zulässigen Grenzwert. Das sind nicht bloss «Spuren von Benzidin», wie es der Kanton Wallis in einer Medienmitteilung vom April 2020 formuliert. Allein wegen dieser massiven Grenzwertüberschreitung hätte die Chemiemülldeponie Gamsenried bereits 2008 erneut zum Sanierungsfall erklärt werden müssen.
Wie die Investigativrecherchen von OEKOSKOP und infosperber nun zeigen, muss Lonza 2008 bereits Kenntnis gehabt haben von dem tiefen Grenzwert und den Gefahren die von Benzidin ausgehen. Der Abschlussbericht des Ingenieurbüros BMG mit dem festgelegten Grenzwert war damals bereits veröffentlicht worden und wurde vom Walliser Umweltamt sogar an Lonza weitergeleitet.