Karin Scheidegger ist ein Multitalent: Sie ist Fotografin, Menschenrechts- und Umweltaktivistin und legt als Dr. Minx zeitgenössische Weltmusik auf. Und ausserdem ist Karin Scheidegger kriminell, zumindest wenn es nach dem indischen Staat geht, der die Bernerin mit einem Einreiseverbot belegt hat. Wie es dazu gekommen ist, erzählt sie nun im Reportage-Fotobuch «Rich Land of Poor People – Reiches Land armer Leute».
2013 reiste Karin Scheidegger als Touristin nach Indien. In Chhattisgarh schoss sie in der Umgebung einer Tochterfirma des Schweizer Grosskonzerns Holcim (heute LafargeHolcim) ein Foto. Sie fotografierte nichts Aussergewöhnliches, Gefährliches oder Verbotenes, sondern einfach nur ein Schild. Nichtsdestotrotz näherten sich kurze Zeit später vier Sicherheitsleute Karin Scheidegger und verprügelten ihren Fahrer.
Scheidegger realisierte, dass ihre Geschichte symptomatisch steht für eine andere, eine grössere Geschichte. Wer sich in Indien auch nur ansatzweise gegen eine Industriemacht wehrt oder verdächtigt wird, dies zu tun, muss mit Repression und Kriminalisierung rechnen. Diese Erfahrungen machen auch die die Arbeiter*innen, die in den Fabriken in Chhattisgarh unter widrigen Arbeitsbedingungen ausgebeutet werden und die indische Gewerkschaft PCSS, die sich für die Rechte dieser Arbeiter*innen einsetzt.
Diesen Menschen hat Karin Scheidegger nun auch ihr Reportagemagazin «Reiches Land armer Leute» gewidmet. Dieses ist fotografischer Essay, eine Geschichte David gegen Goliath und persönlicher Erfahrungsbericht in einem. Anschaulich liefert sie eine Vielzahl an Informationen und historischen Hintergründen und zeigt Zusammenhänge zwischen industriellem Landbau und der exemplarischen Ausbeutung der Ärmsten durch Grosskonzerne auf. «Mein Buch ist auch als Beitrag zur aktuellen Debatte um die Konzernverantwortungsinitiative zu verstehen», sagt sie.
Sieben Jahre lang hat Karin Scheidegger an ihrer Reportage gearbeitet und dabei alles in kompletter Eigenregie entworfen, d.h. sämtliche Fotos geschossen, selber getextet, das Layout gestaltet und das Buch im Eigenverlag herausgegeben. «Sieben Jahre voller Blut, Schweiss und Tränen waren das. Aber ich musste mir diese Geschichte einfach von der Seele schreiben», sagt Scheidegger im Interview mit RaBe:
Buchvernissage 24. September 19 Uhr im Off-Space der Kornhausbibliothek, Karin Scheidegger ist im Anschluss während einer Woche zu Gast im Kornhaus; Finnissage 30. September 19 Uhr mit einem Künstler*innengespräch mit der Fotografin Corinne Futterlieb.