Diese Themen im Info: Am Samstag tagt das schweizweit erste Flüchtlingsparlament, wir haben mit einer der Organisatorinnen gesprochen. Und: Wo hört der Spass auf? In der neurechten Internetszene entwickle sich eine ganz spezifische Form von Humor, so der Experte im Interview mit Radio Corax aus Halle.
Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
Flüchtlingspolitik – Nun ergreifen Betroffene das Wort
Kaum ein Thema bewegt die politischen Gemüter stärker als die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Seit Jahren schraubt und flickt das Parlament an den Gesetzen, auch aktuell wieder im Rahmen der
Sondersession des Nationalrates.
Die Betroffenen selber kommen dabei kaum, ja eigentlich nie zu Wort, weil sie weder eine starke Lobby haben, noch ausreichend organisiert und vernetzt sind und so ihre Anliegen und Forderungen auch kaum in die nationale Politik einbringen können.
Das soll sich nun ändern: So Corona will tagt am Samstag, 6. Juni 2021 in Bern das schweizweit 1. Flüchtlingsparlament.
Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Über 70 Geflüchtete aus allen Landesteilen haben sich letzte Woche erstmals online zu Kommissionssitzungen getroffen. Die Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit 9 für Geflüchtete relevanten Themenbereichen, wie zum Beispiel Kinderrechte oder Gesundheit.
Roksan Kasem aus Syrien ist Mitorganisatorin des 1. Flüchtlingsparlaments und Teil der Arbeitsgruppe, die sich im Vorfeld mit der schwierigen Situation von abgewiesenen Asylsuchenden auseinandersetzt. Kasem selber besitzt eine B-Bewilligung, welche einem relativ sicheren Aufenthaltsstatus entspricht. Weil dies aber nicht immer so gewesen sei, ist es Kasem ein besonders grosses Anliegen, die Situation von Menschen ohne Aufenthaltsstatus und somit auch sehr schwierigen Zukunftsperspektiven zu verbessern, sagt Roksan Kasem im Gespräch mit RaBe.
Die Kommissionen erarbeiten in den kommenden Wochen nun konkrete Empfehlungen, welche am 6. Juni 2021 im Plenum vorgestellt und nochmals diskutiert werden, bevor das Flüchtlingsparlament darüber abstimmt. Aus coronatechnischen Gründen wurden bereits 2 Alternativdaten festgelegt.
Ebenfalls vor Ort sein werden Fachpersonen vom UNHCR, von Amnesty International oder Caritas Schweiz. Zudem laufen Anfragen bei Schweizer Parlamentarier*innen, welche ebenfalls am Flüchtlingsparlament teilnehmen sollen. Die Politiker*innen möglichst aller Parteien haben indes kein Stimmrecht. Sie sollen zuhören und bestenfalls einzelne Empfehlungen des Flüchtlingsparlaments ins Bundeshaus tragen.
Finanziert wird das Projekt unter anderem vom UNHCR-Büro für die Schweiz und Lichtenstein, initiiert und organisiert hat es das National Coalition Building Institute NCBI.
«War doch nur ein Witz!» Der Humor der neuen Rechten
Über ertrunkene Geflüchtete wird gelacht, Frauen – vor allem Politikerinnen – werden erniedrigt und sexistisch beleidigt, der Holocaust wird verharmlost. In der neurechten Internetszene entwickle sich eine ganz spezifische Form von Humor, «ein Lachen, welches vor nichts und niemandem Halt mache», sagt Lars Koch, Professor für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literatur an der Technischen Universität Dresden.
Dabei diene der Humor als Kitt um eine menschenverachtende Szene zusammenzuhalten. Online würden sich solche Äusserungen und Memes dann oft hochschaukeln, «es kommt dann zu einem Überbietungswettbewerb», in welchem sich die User*innen selbst als Speerspitze im Kampf um die Meinungsäusserungsfreiheit wahrnehmen würden.
Eine Verteufelung des digitalen Raumes sei aber nicht zielführend, so Koch. «Wir brauchen eine neue Form von digitaler Bildung. Schon in den Schulen muss vermittelt werden, welche Standards von kommunikativem Miteinander wir in der Gesellschaft haben wollen», erklärt er im Interview mit Radio Corax in Halle.
Buchtipp «Verletzen und Beleidigen – Versuche einer theatralen Kritik der Herabsetzung», von Anna Häusler, Elisabeth Heyne, Lars Koch und Tanja Prokic. Berlin 2020.
Lied zur Sendung: „Rue“ von girl in red
Das Lied zur Sendung kommt heute von «girl in red». Die Norwegerin Marie Ulven Ringheim hat heute ihr Debut-Album herausgegeben. «if i could make it go quiet» heisst es, eine ganze Scheibe über junge Beziehungen und queere Liebe. Bekannt wurde die Solokünstlerin mit ihrem Lied We fell in Love in October zur Ikone des Queer-Pops. Die Frage «Do you listen to Girl in red» gilt seither als code, um Frauen nach ihrer sexuellen Orientierung zu fragen. In der Folge wurden in Moskau, São Paulo und New York City Plakate mit der Frage platziert, um auf die Thematik aufmerksam zu machen.