Heute im Info: Wie drei Jugendliche in die Mühlen der Festung Europa geraten, wie ein aussergewöhnliches Escape-Room-Game seine Besucher*innen in Atem hält und wie sich Sophie Scholl während des Zweiten Weltkriegs zur Weh setzte:
Drei Teenager wegen Terrorismus vor Gericht
In Malta stehen zurzeit drei Teenager wegen Terrorismus vor Gericht. In einer Gruppe von Migrant*innen, die von Libyen wollten sie am 26. März 2019 in einem Schlauchboot nach Europa.
Kurz nach dem Beginn der gefährlichen Reise geriet das Boot in Seenot. 108 Personen wurden von einem Öltanker vor der Küste Libyens gerettet, ein Schiff namens „El Hiblu 1“. Die Crew wurde vom Militär instruiert nach Libyen zu fahren, um die Geflüchteten dort an Land zu bringen. Diese Protestierten, drei Jungen im Alter zwischen fünfzehn und neunzehn übersetzten und vermittelten zwischen dem Kapitän und den Menschen an Bord. Letztlich hielt das Schiff Kurs auf Malta, eine Inselgruppe im Mittelmeer.
Sobald der Tanker in Maltesisches Gewässer einfuhr, stürmten die Behörden das Schiff. Ihnen wurde gemeldet, dass das Schiff gekapert wurde, angeführt von den drei Teenagern. Anders als erwartet hat die Polizei schutzssuchende Menschen an Bord des Tankers vorgefunden, sie wurden in Containercamps gebracht. Die drei Jugendlichen allerdings wurden festgenommen und direkt ins Hochsicherheitsgefängnis gebracht. Erst nach sieben Monaten durften sie auf Kaution raus. Nun hat der Prozess gegen die sogenannten „El Hiblu 3“ begonnen. Die Anwält*innen der jungen Erwachsenen befürchten hoche Strafen bis Lebenslänglich. Ihnen wird vorgeworfen, unter terroristischen Absichten das Boot gekidnappt und die Crew zum Kurs auf Malta genötigt zu haben. Für die Staatsanwaltschaft sind sie Terroristen, für die anderen Geflüchteten Helden. Ein Kommentar basierend auf einem Bericht der International Association of Democratic Lawyers.
Büro Für Bürokratie
Wofür man verhaftet wird, bleibt unklar. Die einzige Ansage: Man solle sich das Formular B27 organisieren. Wo dieses genau zu finden sei, müsse man schon selber herausfinden. Willkommen im Büro für Bürokratie.
Sie gleicht manchmal einem wahren Dschungel, die olle Bürokratie. Formular hier, Beleg da, Berechtigung hier, Zulassung da, Anmeldung hier, Verordnung da ….. alles ist unüberschaubar, verwirrend, verworren und mutet schon fast menschenfeindlich an.
Dieses Gefühl wird derzeit in der Zwischennutzung Sollbruchstelle im theatralen Escape-Room-Game «Büro für Bürokratie» erfahrbar gemacht. In kleinen Gruppen gilt es, Rätsel zu lösen, um von den Schauspieler*innen an den nächsten Orte im Gebäude geführt zu werden. Dabei verkörpern diese das Albtraumhafte der Bürokratiemaschinerie perfekt: Ein stoisch-unnahbarer Aufseher (Dominik Gysin) schlurft roboterhaft durch die kahlen Keller-Gänge, eine durchgeknallte Beamtin (Emma Murry) leidet unter wilden Zuckungen und gerät unter einen Berg von Aktenordnern, derweilen die Empfangsdame (Evelyne Béguin) bei ihren Ansagen unverhofft in Operngesang ausbricht. Und dann ist da auch noch dieser schwarz gekleidete Vogel, der einem zeitweilig einen ordentlichen Schreck einjagt.
Das Büro für Bürokratie bietet beste Unterhaltung für Liebhaber*innen von skurrilem Theater und Knobelnasen. Auf dem geführten Escape-Room-Rundgang durch die Zimmer und Keller der Sollbruchstelle kommt das Gefühl auf, in einem wahnwitzigen, kafkaesken Labyrinth festzustecken. Besser kann man die Mühlen der Demokratie kaum umsetzen. Tipp: Bei der ersten Station einen ordentlichen Schluck aus der Schnapsflasche trinken, die sich in einer der Schubladen finden lässt. Nein, das ist nicht die Lösung des Rätsels. Aber es hilft.
Und so klingts im Büro für Bürokratie:
Büro für Bürokratie noch bis 15.5.21 in der Sollbruchstelle im Rahmen der 25-Jahre-RaBe-Sause. Pro Rundgang (Dauer ca. 1 Std.) können 6 Personen teilnehmen, zur Anmeldung geht’s hier.
100 Jahre Sophie Scholl
Am 9. Mai wäre Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. Die deutsche Widerstandskämpferin gegen Hitler kam 1943 in Baden-Württemberg zur Welt.
Sie wuchs behütet auf, der Vater war Bürgermeister ihres Heimatorts. Mit 13 Jahren kam Sophie in den «Bund Deutscher Mädel», das weibliche Pendant zur Hitlerjugend. Anfangs war sie begeistert vom Gemeinschaftsgefühl und sie liebte die Natur. Mit der Zeit wurde sie Sophie jedoch immer skeptischer gegenüber dem nationalsozialistischen System. Vor allem mit dem tobenden 2. Weltkrieg war sie überhaupt nicht einverstanden: «Manchmal graut mir vor dem Krieg, und alle Hoffnung will mir vergehen. Ich mag gar nicht dran denken, aber es gibt ja bald nichts anderes mehr als Politik, und solange sie so verworren ist und böse, ist es feige, sich von ihr abzuwenden.»
1942 begann Sophie ihr Studium der Biologie und Philosophie an der Universität München. Ihr Bruder Hans studierte dort Medizin. Mit zwei anderen Studenten gründete er die Widerstandsorganisation «Weisse Rose». Sophie kam einige Zeit später dazu. Die Gruppe malte Parolen an die Wände Münchens. «Freiheit» stand da. Grösseres Aufsehen bewirkten jedoch die wiederholt verbreiteten Flugblätter. In diesen klagten sie die Verbrechen der NS-Diktatur an und forderten die Bevölkerung Deutschlands dazu auf, sich zu wehren.
Das sechste Flugblatt der «Weissen Rose» wurde den Geschwistern Scholl schliesslich zum Verhängnis. Als sie in der Universität München ihre Botschaften verteilten, wurden sie von einem Hausmeister entdeckt. Dieser alarmierte sofort die Polizei, Hans und Sophie wurden verhaftet. Nach drei Tagen Verhör folgte am 22. Februar 1943 das Urteil. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurden Sophie und Hans zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. «So ein herrlicher Tag, und ich soll gehen. Aber was liegt an unserem Leben, wenn wir es damit schaffen, Tausende von Menschen aufzurütteln und wachzurütteln?», notierte Sophie am Tag ihrer Hinrichtung.
Laut Dr. Hildegard Kronawitter von der Weisse Rose Stiftung reichen die Einflüsse Sophie Scholls bis in die Gegenwart. Es brauche historische Vorbilder, um sich auch heute noch vor Augen zu führen, dass wir gefordert sind.