Themen des heutigen RaBe-Infos: Erneut Kürzungen in der Sozialhilfe geplant, diesmal soll es vorläufig aufgenommene Geflüchtete treffen. Nachhaltigkeitswoche an Schweizer Hochschulen, was diese machen können um umweltfreundlicher und zukunftsfähiger zu werden. Die Mütter des Plaza del Mayo – noch immer fordern sie Aufklärung für Morde während der argentinischen Militärdiktatur.
Massive Kürzungen der Berner Sozialhilfe
Der Berner Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg will die Asylsozialhilfe für vorläufig aufgenommene Geflüchtete per Verordnung auf ein absolutes Minimum kürzen. Alle vorläufig Aufgenommenen, die nach 7 Jahren immer noch keine Arbeitsstelle haben, sollen 60% weniger Sozialhilfe erhalten, was 382 Franken pro Monat entspricht. Aus vielerlei Gründen stösst dieser Plan auf massive Kritik, bei linken und kirchlichen Kreisen, aber auch bei der Stadt Bern. Sie lehnt die Kürzungen als „einseitig und unausgewogen“ ab. Für eine Stellungnahme war Gemeinderätin Franziska Teuscher gestern nicht erreichbar.
Erreichbar war hingegen Carsten Schmidt, Leiter der Fachstelle Migration der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn, dessen ebenso harsche Kritik in eine ähnliche Richtung zielt. Diese Kürzung verunmögliche den Betroffenen eine soziale Teilhabe. Zwar gäbe es die bundesrechtliche Vorgabe, dass die Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene unter derjenigen für Einheimische liegen müsse. Eine Kürzung um 60% sei dennoch unverhältnismässig, weil auch laut den nationalen SKOS-Richtlinien 977 Franken pro Monat das Minimum seien, das es für ein menschenwürdiges Leben braucht. Weiter kritisiert Carsten Schmidt, dass Pierre-Alain Schnegg die Kürzung per Verordnung durchsetze, obwohl sich die Berner Stimmbevölkerung kürzlich klar gegen weitere Kürzungen in der Sozialhilfe ausgesprochen habe. In dieser Vorlage war eine Kürzung der Asylsozialhilfe für die vorläufig Aufgenommene von 15% vorgesehen. Schnegg will diese nun nach 7 Jahren um 60% kürzen.
Sustainability-Week
Vor sechs Jahren fand an der Universität Zürich die erste Aktionswoche für mehr Nachhaltigkeit statt, daraus hervorgegangen ist der Verein Sustainability Week Switzerland. Der Verein verknüpft Gleichgesinnte und unterstützt Studierende dabei, sich an ihrer Hochschule für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen, beispielsweise indem sie eine eigene Aktionswoche mit verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen auf die Beine stellen. Bereits an 36 Schweizer Hochschulen finden zwischen Februar und Mai 2020 solche Aktionswochen statt, über 400 freiwillige Studierende haben mitgeholfen und insgesamt über 200 kostenlose Veranstaltungen organisiert. Es gibt Vorträge, Workshops oder auch Konzerte. Von Kochkursen bis hin zu Urban Gardening ist für jede*n etwas dabei.
Nebst der Koordination der Aktionswochen entwickelt der Verein auch detaillierte Leitfäden, beispielsweise wie man eine Cafeteria nachhaltiger betreiben kann. Diese stehen auf der Website frei zur Verfügung. Seit diesem Jahr ist der Verein für Schweizer Nachhaltigkeitswochen auch im Ausland aktiv, Veranstaltungen finden auch an Hochschulen in Ghana, Tansania, Kasachstan und China statt.
Mit einer Podiumsdiskussion zum Thema Klimagerechtigkeit findet am Donnerstag dem 27. Februar in Bern die nationale Eröffnung aller Hochschulaktionswochen statt. Die Nachhaltigkeitswoche der Bernischen Hochschulen bietet anschliessend vom 2. bis 7. März ein reichhaltiges Programm.
Vera, Mutter des Plaza del Mayo
Jeden Donnerstag umrunden die Mütter des Plaza de Mayo, eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen Argentiniens den Hauptplatz der Hauptstadt Buenos Aires. Jeden Donnerstag sind die Mütter von einigen der tausenden Menschen vor Ort, die während der argentinischen Militärdiktatur 1976 – 1983 verschleppt, gefoltert und lebendig aus Flugzeugen ins offene Meer geworfen wurden. Seit Jahren fordern die Mütter vom Staat zu wissen, wo ihre Kinder geblieben sind. Jeden Donnerstag, immer und immer wieder.
Im Dokumentarfilm «Vera. Nunca mas el silencio» porträtiert die argentinische Regisseurin Manuela Irianni eine der vielen Mütter des Plaza de Mayo namens Vera Jarach. Sie ist gebürtige Italienerin und Jüdin. Ihr Grossvater Ettore Camerino wurde in Auschwitz ermordet. Mit 11 Jahren flüchtete Jarach vom Holocaust nach Argentinien, wo ihre eigene Tochter Franca während der argentinischen Militärdiktatur entführt und getötet wurde.
Gedreht hat Manuela Irianni den Dokumentarfilm, weil sie es einerseits als unabdingbar erachtet, ein Zeugnis aus erster Hand filmisch festzuhalten. Es werde in Zukunft wohl noch viel über die Organisation der Mütter des Plaza de Mayo geschrieben und geforscht. Trotzdem sei es wichtig auch audiovisuelle Zeitdokumente und somit direkte Zeugnisse zu haben. Ein weiteres Ziel sei, den universellen Charakter von Völkermorden hervorzuheben. Alle Völkermorde hätten ihre politischen und historischen Besonderheiten, es gäbe aber auch viele Gemeinsamkeiten. Das Leben von Vera Jarach ist von drei Völkermorden geprägt, dem Völkermord an den Armenier*innen, dem Holocaust und der argentinischen Diktatur. Laut Irianni zeigt dies die Universalität von Völkermorden.
Weiter wollte Irianni, dass Veras Zeugnis und Leben als Brücke funktionieren, um über die Situation der vielen Mütter zu sprechen, die heute darunter leiden, dass ihre Kinder verschwunden sind oder ermordet wurden. Und schliesslich wollte sie auch die Migrationsproblematik thematisieren: So wie Vera im Jahre 1939 von Italien nach Argentinien auswandern musste, gehe es heute unzähligen Migrant*innen und Geflüchteten.
Der Dokumentarfilm “Vera. Nunca mas el silencio” von Manuela Irianni läuft am Mittwoch um 19 Uhr im Radio Bern RaBe.