Noch nie hat die Schweiz so viele Rüstungsgüter exportiert wie in Corona-Zeiten. Und: die Menschen in den griechischen Lagern sind in höchster Gefahr, ein Ausbruch des Virus wäre für die auf engstem Raum lebenden, geschwächten Menschen verheerend.
Das und mehr heute im RaBe-Info:
Massive Zunahme an Kriegsmaterialexporten
Für insgesamt 394 Millionen Franken hat die Schweiz in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres Kriegsmaterial exportiert. Das zeigen frisch veröffentlichte Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. Verglichen mit den 123 Millionen Franken die in derselben Periode im letzten Jahr bewilligt wurden, ergibt dies eine Steigerung von 220%. Die Schweiz hat damit im ersten Quartal 2020 fast so viele Waffen ins Ausland exportiert wie im gesamten Jahr 2016. Eine Entwicklung, die nicht zuletzt auch auf die anhaltende Corona-Krise zurückgeführt werden kann. Denn durch das weltweit steigende Sicherheitsbedürfnis in Krisenzeiten, geniessen Schweizer Rüstungsfirmen derzeit gerade Hochkonjunktur.
Die Publikation des SECO zeigt auch, dass die Schweiz erneut Waffen an eine Reihe von Staaten exportierte, in denen Menschenrechte gravierend verletzt werden oder die in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Besonders frappant sind dabei Waffenlieferungen in der Höhe von knapp 111 Millionen Franken an Indonesien. Wie unter anderem humanrights.ch bestätigt, wurde im südostasiatischen Land in den letzten Jahren eine Säuberungskampagne durchgeführt gegen Personen, die angeblich mit Drogen handeln oder sie konsumieren. Im Zuge dieser Säuberungskampagne kam es zu diversen aussergerichtlichen Hinrichtungen. Auch die Waffenlieferungen in der Höhe von knapp 12 Millionen Franken nach Brasilien, wo sich die Menschenrechtslage unter Präsident Jair Bolsonaro massiv verschlechtert hat, sind fragwürdig. Ausserdem wurden erneut Waffenexporte an Akteure im Jemen-Krieg wie Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate bewilligt.
Vor allem die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA zeigt sich schockiert über die neusten Zahlen des SECO. «Der Bundesrat politisiert damit schlicht und einfach an der Bevölkerung vorbei – und zwar auf Kosten der humanitären Tradition der Schweiz», kritisiert GSoA-Sekretärin Nadia Kuhn gegenüber Radio RaBe. Allerdings ist die GSoA zuversichtlich, dass Initiativen wie beispielsweise die Korrekturinitiative oder die Kriegsgeschäfte-Initiative nun erst recht gute Chancen haben, vom Stimmvolk angenommen zu werden.
Gesundheitlicher Notstand in griechischen Flüchtlingslagern
Alle Welt redet von «social distancing» – in den griechischen Flüchtlingscamps ist das nicht einmal eine Illusion. Die Corona-Krise bedeutet für die Geflüchteten ein Ausnahmezustand auf dem Ausnahmezustand.
Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos beispielsweise wurde für 3000 Geflüchtete eingerichtet, mittlerweile hausen dort 20 000 Menschen. Aufgrund der inhumanen Zustände in den Lagern sind sie besonders gefährdet, sich mit dem Virus anzustecken. Abgesehen von den «herkömmlichen» Risikogruppen, wie chronisch Kranke, Ältere oder Schwangere, gehören wegen der Mangelernährung und der schlechten hygienischen Bedingungen auch viele, eigentlich gesunde, junge Leute zur Risikogruppe.
Alle gemeinsam leben sie zusammengepfercht in den Camps, die Abstand- und Hygieneregeln einzuhalten oder Menschen, die krank sind oder Krankheitssymptome aufweisen zu isolieren, ist absolut unmöglich.
Zusätzlich verschärft hat sich die Situation, weil Nichtregierungsorganisationen inzwischen kaum mehr Zugang haben zu den Camps. Ausser dem medizinischen Personal der Internationalen Organisation für Migration IOM darf die Camps inzwischen niemand mehr betreten. Deshalb versucht die Organisation Medical Volunteers International die Geflüchteten via Telemedizin wenigstens zu beraten und allenfalls Medikamente zu organisieren. Zudem versucht sie, Geflüchtete beim Zugang zu medizinischer Versorgung zu unterstützen. Wie sie das tut und an wen sie sich wendet, hänge vom jeweiligen Status der geflüchteten Person ab. Während anerkannte Geflüchtete und Asylsuchende grundsätzlich Zugang zum griechischen Gesundheitssystem haben, erhalten Geflüchtete ohne Status nur bei NGOs medizinische Hilfe.
Mit der Abschottung der Camps in Griechenland wird es für Nichtregierungsorganisationen immer schwieriger, Geflüchtete, welche medizinische Hilfe brauchen, überhaupt zu erreichen. Dabei gehöre der Zugang zu Gesundheit zu den grundlegenden Menschenrechten. Rechtlich stehe diese Abschottung der Lager somit auf sehr dünnem Eis, kritisiert die Organisation Equal Rights Beyond Borders. Für die griechische Regierung allerdings bedeute sie eine sehr willkommene Testphase. Ein neues Gesetz sei bereits in der Pipeline, welches die Bewegungsfreiheit und die Camps noch stärker einschränken und absperren will.
Die Ursachen für die Gesetzesverschärfungen und inhumanen Zustände in Griechenland sind allerdings bei weitem nicht nur hausgemacht. Seit vielen Jahren amtet Griechenland quasi als europäisches Schutzschild gegen Geflüchtete. Während das Land seit Jahren zig tausende Geflüchtete versorgt, streiten sich die EU-Länder ebenfalls seit Jahren um eine bessere Verteilung der Geflüchteten auf die europäischen Länder. Kürzlich haben einzelne EU-Länder und die Schweiz angekündigt, insgesamt rund 1600 Jugendliche aus den griechischen Camps zu evakuieren. Mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein ist das nicht, wenn man bedenkt, dass aktuell alleine auf den drei griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios rund 40 000 Menschen gestrandet sind.
Im Rahmen der Online-Diskussionsrunde über die fehlenden Zugänge zum Gesundheitssystem in den griechischen Flüchtlingscamps der Organisation Open Eyes Balkanroute waren sich die Teilnehmenden somit einig: Die einzige Chance, im Kampf gegen das Corona-Virus in den Flüchtlingslagern, ist deren Evakuierung.