Im RaBe-Info geht es heute um einen Ausschaffungsentscheid der Fragen aufwirft, um Gewalt durch Sicherheitskräfte in Bundesasylzentren und um die Frage was denn eigentlich Heimat ist.
Podcast der ganzen Sendung:
«Le Beizli»-Kochlehrling soll nach Afghanistan ausgeschafft werden
Afghanistan gilt als eines der gefährlichsten Herkunftsländer dieser Welt. Seit 40 Jahren befindet sich der Binnenstaat in Westasien im Krieg mit den Taliban und dem IS. Dennoch führt die Schweiz seit 2019 wieder Ausschaffungen nach Afghanistan durch – in den meisten Fällen unter Androhung von Zwangsmassnahmen. Trotz zahlreichen Bombenanschlägen und islamistischem Terror, hält das Staatssekretariat für Migration eine Rückkehr von afghanischen Asylsuchenden für zumutbar. Dabei ist längsten klar, dass gerade zurückgeschaffte Flüchtlinge in Afghanistan besonders stark bedroht sind. Ihnen drohen nicht nur die soziale Isolation und ein Leben in Anonymität, sondern auch Folter und Mord.
Auf dieses Schicksal gefasst machen muss sich auch Omar Habibi (Sein richtiger Name kann an dieser Stelle nicht genannt werden). Derzeit absolviert der junge Mann, der seit 2016 in der Schweiz lebt, im Liebefelder Restaurant „Le Beizli“ eine Lehre als Koch. Nun aber droht ihm die Ausschaffung in ein Land in dem seit 40 Jahren Krieg herrscht. Trotz Lehrvertrag, guten schulischen Leistungen und zusätzlichen Deutschkursen. Sein Asylrekurs wurde Mitte Dezember abgelehnt – der Ausbildungsbetrieb im Liebefeld wurde darüber nicht informiert. Bereits vergangene Woche musste Omar Habibi für ein Ausreisegespräch beim Kantonalen Migrationsdienst vorbei.
Nun hat er bis Ende Januar Zeit seine eigene Ausschaffung in die Wege zu leiten und die dazu benötigten Dokumente zu organisieren. Andernfalls würden ihm Zwangsmassnahmen drohen, heisst es in der schriftlichen Vorladung zum Ausreisegespräch. Die Aufforderung, die Schweiz zu verlassen, ging einher mit einem sofortigen Beschäftigungsverbot in seinem Lehrbetrieb im Liebefeld. Trotz gültigem Lehrvertrag soll er baldmöglichst in das für ihn äusserst gefährliche Kabul zurück geschickt werden. «Diese unmenschliche Vorgehensweise befremdet uns zutiefst. Die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition und mit ihrem grossen Reichtum hat ein solch menschenverachtendes Vorgehen nicht nötig. Ich schäme mich dafür. Als Mensch und als Schweizer Bürger», erklärt Geschäftsführer Michel Gygax. Als Gastrounternehmer in einer Branche, die unter grossem Fachkräftemangel und unter der Coronakrise leidet, könne er eine solch kurzsichtige Politik nicht gutheissen.
Der Ausbildungsbetrieb im Liebefeld hat nun ein Gesuch zur Weiterführung des Lehrvertrages und eine Verwaltungsbeschwerde an das Amt für Bevölkerungsdienste eingereicht, in der Hoffnung dadurch ein wenig Zeit zu gewinnen.
Mit einer Online-Petition fordern bereits über 7000 Personen, dass Omar Habibi seine Lehre noch abschliessen darf – trotz negativem Asylentscheid.
Gewalt durch Sicherheitskräfte in Bundesasylzentren
Seit geraumer Zeit kritisieren Migrationsorganisationen den teilweise übermässigen Einsatz von Gewalt im Umgang mit Asylsuchenden durch die Sicherheitskräfte in den Bundesasylzentren. Dies bestätigt nun auch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter NKVF. In den vergangenen 2 Jahren besuchte die NKVF acht Bundesasylzentren in der ganzen Schweiz und zieht in ihrem Prüfungsbericht eine durchzogene Bilanz. Grundsätzlich sei die Situation in den Bundesasylzentren menschen- und grundrechtskonform. Grosses Verbesserungspotential sieht sie jedoch unter anderem beim Umgang mit Konflikten und bei der Gewaltprävention. Mehrfach habe es in Bundesasylzentren körperliche Fixierungen gegeben oder sei zum Einsatz von Pfeffergel gekommen. Wegen übermässiger Gewaltanwendung sind aktuell mehrere Strafverfahren gegen Sicherheitspersonal von Bundesasylzentren hängig.
Da das Konfliktpotential in den Zentren aufgrund der engen Raumverhältnisse und der Anwesenheit von unterschiedlichsten Menschen in sehr schwierigen Lebensverhältnissen hoch sei, müsse dringend eine umfassende Konfliktkultur erarbeitet werden, so Leo Näf, Vizepräsident der Antifolter-Kommission. Dazu müsse einerseits das Sicherheitspersonal besser und länger geschult werden, und andererseits die Rolle der Betreuer*innen gestärkt werden. Weiter brauche es ein niederschwelliges und systematisches Beschwerdemanagement in den Zentren, damit Bewohnende, welche von Gewalt durch Sicherheitskräfte betroffen seien, genau wüssten, wohin sie sich wenden können.
Hin und weg von Wengen
Sie ist eine talentierte Skifahrerin und gemäss Eigendefinition eine Kombination von Heidi und Britney Spears. Vor allem aber ist sie Journalistin und hat soeben ihr erstes Büchlein herausgegeben. Ihr Name: Lia Näpflin.
Zuhause ist die 25-Jährige im Berner Oberland, genauer: in Wengen. Das malerische Dorf am Fusse von Eiger, Mönch und Jungfrau spielt denn auch eine zentrale Rolle im Büchlein, das Näpflin Ende letzten Jahres herausgegeben hat. Es trägt den Titel «Hin und weg von Wengen».
Angefangen hat alles mit einem Artikel in der Jungfrau Zeitung. Darin beleuchtete Näpflin anhand zweier Lebensentwürfe – Marianne bleibt und heiratet in Wengen, Miruh will weg und zieht nach Zürich – das Spannungsfeld, im dem sich viele Menschen befinden, die auf dem Land leben: Soll man im Dorf bleiben, weil’s doch die Heimat ist, oder soll man weg, weil in der Stadt andere Möglichkeiten locken?
Offenbar traf Lia Näpflin mit ihrem Essay einen Nerv der Zeit. Die Rückmeldungen waren so zahlreich, dass sie den Text erweiterte und nun als Büchlein herausgab. Der Erfolg von «Hin und weg von Wengen» ist nachvollziehbar, denn Näpflins Text lotet auf einfühlsame, humorvolle und entwaffnend ehrlich Art und Weise existenzielle Frage aus, die uns alle früher oder später umtreiben: Wo gehör wir hin? Warum bleiben oder eben nicht? Wäre ein Leben anderswo glücklicher und erfolgreicher oder eben nicht? Und wie lässt sich Glück und Erfolg überhaupt messen?
Lia Näpflin im Interview mit RaBe: