Skandalöse Arbeitsbedingungen beim Paketlieferdienst DPD, traumatisiertes Notfallpersonal und eine isolierte Jugend. Wie geht es den Menschen, denen wir im Alltag begegnen? Wir haben nachgefragt.
Den Podcast zur Sendung gibt’s hier:
Das System DPD
Es herrschten skandalöse Zustände beim Paketlieferdienst DPD. Laut der Gewerkschaft UNIA berichten Fahrer*innen über regelmässige 12- bis 14-Stunden-Tage, wobei die Überstunden nicht bezahlt werden. Daneben gäbe es missbräuchliche Lohnabzüge, Verstösse gegen die Gesetze bei Nachtarbeit, fehlende obligatorische Essensspesen, unerlaubte Echtzeit-Überwachung, krankmachende Belastung, fehlende Toiletten, Fahrzeuge in ungenügendem Zustand und unbekannten Covid-Schutzkonzepten.
Um ihren Bericht Das System DPD zu verfassen, hat die UNIA mit Hunderten Fahrerinnen und Logistikern gesprochen. Diese sind jedoch nicht bei der DPD direkt angestellt: Um Kosten und Risiken abzuwälzen arbeiten die Angestellten bei über 80 sogenannten Subunternehmen. «Damit verwirklicht sich die DPD den Traum vieler Kapitalistinnen und Kapitalisten: Ein Arbeitgeber zu sein ohne Beschäftigte», sagt Roman Künzler Verantwortlicher Logistik und Transport bei der UNIA.
Jegliche Versuche, gemeinsam mit der DPD Verbesserungen auszuarbeiten seien bisher gescheitert, so Künzler. Die Antwort sei offene Ablehnung bis hin zur Repression.
Trauma bei Notfallpersonal
Wie geht es Menschen, die beruflich anderen Menschen in Not zur Seite stehen? Das war die zentrale Frage der Studie «Retter in Not» , verfasst von einem Forschungsteam der Universitären Psychiatrischen Diensten UPD Bern um Leiterin Leila Soravia.
Ein neuer Ansatz, denn bis anhin wurde die psychische Gesundheit von Notfallpersonal nur nach grossen Katastrophen wie zum Beispiel 9/11 untersucht, jedoch nie dessen Belastung im Arbeitsalltag.
Der Bericht kommt zum Schluss, dass vor allem Mitarbeitende der Notaufnahme und psychiatrisches Pflegefachpersonal durch die Arbeit stark belastet seien. Die Symptome reichten dabei von gestörter Schlaf und Schreckhaftigkeit zu Vermeidungsstrategien und Rückzugsverhalten.
«Die sogenannte Sekundäre Traumatisierung spielt eine grosse Rolle. Also dass Notfallpersonal oft mit ansehen muss, wie eine andere Person zum Beispiel Opfer von Gewalt wurde.», erklärt Soravia im Interview mit RaBe. Dabei spielten die Dienstjahre keine grosse Rolle – im Gegenteil, die Berufsjahre seien im direkten Zusammenhang mit der Anzahl der traumatischen Ereignisse. Je länger eine Person als Rettungskraft arbeite, desto höher die Wahrscheinlichkeit, nach traumatischen Erlebnisse Symptome zu entwickeln.
Jugend in der Coronapandemie
Das Freizeitangebot hält sich seit geraumer Zeit in sehr engen Grenzen. Die Clubs sind geschlossen, die Kinos sowieso und auch sonst finden keine Veranstaltungen statt. Freude daran hat wohl niemand, jedoch leiden besonders die Jugendlichen stark darunter.
Nina Knuchel und Remo Bischoff sind zwei junge Berner Studierende, welche sich nach Abwechslung in ihrer Freizeit sehnen. In der Frage, ob sie nach einem Jahr Pandemie noch Geduld hätten, sind sie sich einig: Ja, aber es habe Momente gegeben, wo diese gefehlt habe. Vor allem der Umgang mit der Ungewissheit über die Dauer der einschränkenden Massnahmen war schwierig. Aufkeimende Hoffnung über ein baldiges Ende wurde einige Male durch eine Verlängerung oder Verschärfung erstickt.
Gegenüber Gleichaltrigen, die sich trotz Verboten in grösseren Gruppen treffen, haben die beiden gemischte Gefühle. Bischoff sagt, dass sozialer Kontakt ein grosses Bedürfnis vieler junger Menschen ist. Solange der Abstand gewahrt werde und die Leute nicht allzu rücksichtslos seien, finde er es in Ordnung. Knuchel stimmt zu, erwähnt aber, dass sie auch die Gegenseite gut verstehe, die kein Verständnis für solche Aktionen aufbringen kann.
Wie steht es um die Zufriedenheit mit dem Pandemie-Management der Regierung bezüglich der Rücksichtnahme auf die Jugend? Bischoff wünscht sich von der Politik mehr konkrete Vorschläge, wie Menschen wie er mit der Situation umgehen sollen. Er sähe gerne mehr junge Leute in Entscheidungspositionen. Seiner Meinung nach würden daraus kreativere und innovativere Lösungen entstehen, wie das Leid der einsamen Jungen gelindert werden könnte. Knuchel ist hier kritisch. Sie fragt sich, ob denn solche Lösungen für alle gelten würden oder nur für junge und gesunde Menschen.
Doch auch sie ist sich sicher, dass es neue Ansätze braucht und verweist darauf, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche vieler Leute und die daraus folgenden Probleme zu einem grossen Teil erst noch bevorstehen.
Die Hoffnung verloren haben beide trotz allem nicht. Sie freuen sich auf bessere Zeiten und die Möglichkeit, ihre Freund*innen wieder in grosser Zahl um sich zu haben.