Rund 100 Asylsuchende werden seit mehr als zwei Wochen illegal in einem von der EU finanzierten Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos festgehalten. Das belegen Informationen, die der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vorliegen. Gemäss den Informationen und Beobachtungen dürfen die Betroffenen das gefängnisartige Camp neuerdings auch tagsüber nicht mehr verlassen. In der Nacht ist das Camp sogar gänzlich verriegelt. Laut Amnesty werden die Asylsuchenden aufgrund eines bislang unveröffentlichten Entscheids des griechischen Ministeriums für Asyl und Migration festgehalten.
Gemäss dem Beschluss des griechischen Ministeriums für Asyl und Migration dürfen seit dem 17. November Personen ohne gültige staatliche Ausweise das Lager auf unbestimmte Zeit nicht mehr verlassen. Der Beschluss gilt für Personen, denen die Ausweise aufgrund eines abgelehnten Asylantrags entzogen wurden, sowie für Neuankömmlinge, die noch keine Karte erhalten haben. Nach inoffiziellen Schätzungen werden etwa 100 der rund 450 Camp-Bewohner*innen seit mehr als zwei Wochen daran gehindert, das Gelände zu verlassen, was laut Amnesty International eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit darstellt.
«Dieses Lager ähnelt eher einem Gefängnis als einem Ort, an dem Menschen Schutz suchen. Dies ist ein grober Missbrauch von EU-Geldern und ein schwerwiegender Verstoss gegen die Rechte der Bewohner», sagte Adriana Tidona, Expertin für Migration bei Amnesty International.
Und Beat Gerber, Mediensprecher von Amnesty International Schweiz ergänzt: «Das Ziel der griechischen Behörden ist eindeutig die Abschreckung von Migrant*innen und Flüchtlingen vor einer Flucht über oder nach Griechenland. Die Botschaft ist klar: Kommt nicht hierher, ansonsten werdet ihr inhaftiert oder deportiert».
Informationen zum Flüchtlingscamp
Das neue, von der EU finanzierte «geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang» (KEDN) von Samos wurde an einem abgelegenen Ort 6 km von der Hauptstadt Vathi entfernt errichtet. Das Lager kann bis zu 3000 Menschen aufnehmen und ist mit einem doppelten Stacheldrahtzaun umzäunt. Die strenge Überwachung umfasst Videokameras auf dem ganzen Gelände und eine ständige Präsenz von patrouillierenden Polizeikräften und privat beauftragten Sicherheitsbeamt*innen.
Die Bewegungsfreiheit der Bewohner*innen ist stark eingeschränkt: Sie dürfen das Lager nur zwischen 8 Uhr morgens und 20 Uhr abends verlassen. Jedes Mal, wenn sie die magnetischen Tore passieren, müssen sie strenge Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen.
Das KEDN auf Samos kostete 276 Millionen Euro. Die Gelder wurden von der Europäischen Kommission für den Bau neuer Einrichtungen für Asylsuchende auf den Ägäis-Inseln bereitgestellt, um die bestehenden, von der Regierung verwalteten offenen Lager zu ersetzen. Am 27. November weihten die griechischen Behörden die KEDNs auf Leros und Kos ein. Weitere KEDNs auf Lesbos und Chios werden folgen.